Die neue Welle an rassistisch motivierter Gewalt in Äthiopien muss gestoppt werden. In einer Woche sind im Oktober mehr als 80 Menschen vom Mob getötet worden, der von Jawar Mohammed aufgehetzt worden ist.
Diese Gewalt ist ein weiterer Beleg dafür, dass es eine vereinte und demokratische Massen-Bewegung von unten braucht, um das alte Regime zu stürzen, das – wenn auch in neuem Gewand – immer noch an der Macht ist.
Es wird immer deutlicher, dass es sich bei der Machtübernahme von Abiy Ahmed im April 2018 um den Versuch der regierenden Parteienkoalition EPRDF und ihrem wichtigsten Bestandteil, der TPLF, gehandelt hat, die zunehmenden Massen-Proteste und die Unzufriedenheit zu beenden.
Ihre Methoden der massenhaften Repression (zehntausende sind verhaftet und als „Terroristen“ bezeichnet worden) und Wahlmanipulation können Massen-Demonstrationen und sogar Streikbewegungen keinen Riegel mehr vorschieben. Das starke Wirtschaftswachstum Äthiopiens kommt nur einer kleinen Elite zu Gute, multinationalen Konzernen und ausländischen diktatorischen Staaten wie China oder den Golfstaaten. Die Masse der wachsenden Bevölkerung lebt immer noch von der Subsistenzwirtschaft (Landwirtschaft zur Deckung des Eigenbedarfs). Es gibt drei Millionen Binnenflüchtlinge im Land.
Neues Gewand, altes Regime
Im April 2018 ist Premierminister Abiy Ahmed als echter Erneuerer präsentiert worden. Politische Gefangene wurden entlassen, verbotene Parteien zur Mitarbeit eingeladen, es kam zum Abkommen mit Eritrea und auf Massen-Versammlungen wurde echter Wandel versprochen. Im Westen – nicht zuletzt in Schweden und Norwegen – war man derart begeistert vom neuen Premier, dass man ihm am 10. Dezember sogar den Friedensnobelpreis übergibt.
Aus ökonomischer Sicht wird die Politik von Abiy Ahmed nicht dazu beitragen, die wachsenden Probleme zu lösen. Auch wird sie der verarmten Masse der Bevölkerung nicht helfen, die Lebensmittel und Geld braucht. Er will das Unternehmen „Ethiopian Airways“, die Stromversorgung, die Telekommunikation, die Eisenbahn und weitere Bereiche privatisieren. Das ist eine Einladung an multinationale Konzerne, Äthiopien auszuplündern und die Arbeiter*innen in noch stärkerem Maße auszubeuten. Hinzu kommt, dass er sich enger an die Golfstaaten bindet. In diesem Zusammenhang geht es vor allen Dingen um Kredite der Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen er enge Beziehungen pflegt.
Ein Regime-Wechsel reicht nicht
Bei vielen Demonstrationen von Äthiopier*innen in Schweden gegen die EPRDF und gegen die Deportation politischer Flüchtlinge haben wir von der „Rättvisepartiet Socialisterna“ erklärt, dass ein „Regime-Wechsel“ nicht ausreicht. Dies gilt umso mehr, wenn das „neue Oberhaupt“ aus den Reihen des alten Regimes kommt. Beim Versuch von Abiy, jetzt eine neue Partei, die „Wohlstands-Partei“, zu gründen, handelt es sich nur um einen neuen Namen für alte Parteien. Noch nicht einmal die TPLF ist bisher beigetreten.
Echte Veränderung muss von unten kommen, aus der demokratischen Organisierung der Arbeiterklasse und der Armen. Dazu braucht es den Kampf der Massen, wie wir es heute in so vielen Ländern erleben. Diese Kämpfe sind eine Inspiration für alle Unterdrückten. Dieses Jahr sind schon die Diktatoren im Sudan und in Algerien gestürzt worden. Im Sudan herrscht großes Misstrauen gegenüber dem Abkommen zwischen einigen führenden politischen Köpfen und dem Militär zur gemeinsamen Regierungsbildung.
Von Ägypten und Tunesien lernen
Nach dem Sturz von Mubarak 2011 in Ägypten sind sowohl das Militär als auch die Kapitalist*innen unangetastet geblieben. Das verschaffte General al-Sisi die Möglichkeit, eine neue Diktatur zu errichten. Militär und altes Regime müssen bis ins letzte Glied entrümpelt, kriminelle Machenschaften müssen strafrechtlich verfolgt werden. Das ist die Lehre, die aus dem „ägyptischen Frühling“ zu ziehen ist. Aus den Kämpfen in Tunesien lernen wir, dass Gewerkschaften in der Lage sind, der schlimmsten Konterrevolution entgegen zu wirken.
Heute müssen in Äthiopien demokratische Verteidigungsausschüsse gegen den Mob organisiert werden, der von Jawar Mohammed angestachelt wird. Ethnischer Chauvinismus und rassistische Gewalt müssen verurteilt werden. Addis Abeba gehört allen Menschen in Äthiopien.
Das Regime wird es aber nicht dazu kommen lassen. Im Gegenteil beschreiben sie die Gewalt als „Kämpfe, die von beiden Seiten ausgehen“. Man macht sich auch die Angst vor der Gewalt zunutze, um auf diese Weise zu verhindern, dass es zu vereinten Protesten kommt.
Abiy Ahmed ist gescheitert. Nötig ist eine neue und demokratisch strukturierte Partei der Arbeiter*innen und verarmten Landbevölkerung, um für echten politischen und wirtschaftlichen Wandel kämpfen sowie sicherstellen zu können, dass alle ethnischen Gruppen gleiche Rechte haben. Das macht den Sturz des alten Regimes, des Kapitalismus und Imperialismus in Äthiopien erforderlich – für demokratischen Sozialismus.
Ein sozialistisches Programm für Äthiopien
- Schluss mit allen rassistisch motivierten Gewalttaten! Für die Bildung demokratischer Verteidigungsausschüsse! Volle demokratische Rechte für alle ethnischen Gruppen!
Die Bewegung und der Kampf
- Für eine neue und demokratische und sozialistische Partei und Bewegung für alle Unterdrückten, Arbeiter*innen und armen Bäuer*innen
- Einheit im Kampf aller Arbeiter*innen und armen Bäuer*innen unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, gegen den gemeinsamen Feind: das Regime, den Kapitalismus und Imperialismus
- Nein zu jeglicher Form der Diskriminierung, Gleichbehandlung für alle
- Lokale und regionale Autonomie für alle, für die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts aller
Demokratie
- Freiheit für alle politischen Gefangenen
- Freiheit für alle politischen Parteien und Organisationen, freie und faire Wahlen zu einer wirklich demokratischen verfassunggebenden Versammlung
- Politiker*innen und gewählte Vertreter*innen dürfen keine Privilegien erhalten, sie müssen jederzeit abwählbar sein
- Für unabhängige, demokratische und kämpferische Gewerkschaften
- Für gewählte Ausschüsse in allen Betrieben, Dörfern, Universitäten etc.
- Für das Recht auf Organisation (auch in puncto Versammlungen und Demonstrationen)
- Für freie Religionsausübung
- Stopp aller Zensur in den Medien und im Internet, demokratischer Zugang zu Druckmaschinen, Fernsehen und Computern
Die Regierung
- Nieder mit dem Regime der EPRDF – strafrechtliche Verfolgung von kriminellen Regierungsvertreter*innen und Beschlagnahmung ihres Besitzes und Reichtums
Waffen und Militär
- Sämtliche Unterstützer*innen der Diktatur müssen aus dem Militär verschwinden
- Alle Waffen und Einheiten müssen der demokratischen Kontrolle von Ausschüssen unterstellt werden, die mit Arbeiter*innen und Bäuer*innen besetzt sind
Grund und Boden
- Stopp dem „land grabbing“ (Landraub) – Beschlagnahmung allen Grundbesitzes, der multinationalen Konzernen u.a. übertragen worden ist
- Eine Landreform, um sicherstellen zu können, dass Bäuer*innen Grund und Boden zur Verfügung steht
- Volle Entschädigung im Fall, dass Landbesitz für Straßenbau o.ä. benötigt wird – Entscheidungen darüber müssen vor Ort getroffen werden
- Staatliche Unterstützung für freiwillige Kollektive in der Landwirtschaft
Imperialismus
- Beschlagnahmung allen imperialistischen Eigentums unter demokratischer Kontrolle
- Aufruf an die Arbeiter*innen weltweit zur Unterstützung im Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus
Wirtschaft und Wohlfahrt
- Ein Plan zur Bereitstellung von Lebensmitteln für alle
- Gerechte Verteilung der Ressourcen des Landes
- Beendigung sämtlicher Privatisierungen
- Für einen demokratischen Plan für das Land in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur (Wasser, Strom, Straßen)
- Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, auch die Menschen mit Behinderungen
- Für die demokratische Planung der Produktion und Verteilung der Ressourcen
- Für eine demokratische und sozialistische Regierung