Am 13. März fanden in den deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt (mit gut einem Fünftel der Wahlberechtigten in Deutschland) Landtagswahlen statt. Bei Befragungen nannte die große Mehrheit der WählerInnen (BW 69%, RP 59%, ST 54%) Flüchtlinge als wichtigstes Thema. Hauptergebnis war der Erfolg der AfD, die bei den letzten Landtagswahlen in diesen Ländern noch nicht existierte. Sie bekam jeweils 15,1 % (BW), 12,6% (RP) und 24,2% (ST). Es werden neue Regierungskoalitionen entstehen, weil in zwei Ländern nicht einmal Große Koalitionen mehr eine Mehrheit haben. In Baden-Württemberg wird vielleicht die CDU Juniorpartner der Grünen, in Sachsen-Anhalt ist von einer Kenia-Koalition („schwarz-rot-grün“, also CDU, SPD und Grüne) die Rede.
Als Folge des AfD-Erfolges droht, dass sich offene gewaltbereite FaschistInnen ermutigt fühlen. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, auf Linke finden schon jetzt fast täglich statt und werden sicher nicht abnehmen. Ganz allgemein werden rassistische und reaktionäre Ideen offener und selbstsicher geäußert werden, am Stammtisch, beim Einkaufen, im Bus, überall. In den Medien wird die AfD mit ihrer Hetze noch mehr zu Wort kommen. Und nicht zuletzt wird die etablierte Politik noch härter gegen Flüchtlinge vorgehen.
Warum wurde die AfD gewählt? Aus der täglichen Erfahrung und Meinungsumfragen wissen wir schon längst, dass es in Deutschland eine Schicht von verbohrten RassistInnen gibt. Viele von ihnen haben jetzt mit der AfD eine passende Partei gefunden, die kein allzu braunes Image hat (auch wenn bei Nachwahlbefragungen rund die Hälfte der AfD-WählerInnen zustimmten, dass die AfD sich nicht genug von rechtsradikalen Positionen distanziert … und sie trotzdem wählten). Wenn in Sachsen-Anhalt („Ausländeranteil“ amtlich 3%, Anteil der Muslime so gering, dass er in der Statistik gar nicht aufgeführt wird) 92% der AfD-WählerInnen einen „wachsenden Einfluss des Islam“ fürchten, hat das offensichtlich mit rationalen Überlegungen nichts zu tun.
Es gibt aber auch weit über die AfD-WählerInnen hinaus z.B. Ängste, dass mit den Flüchtlingen die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zunimmt. Mit Menschen mit solchen Ängsten kann man argumentieren, dass die Lösung nicht die Abschottung vor Menschen in Not, sondern die Beschlagnahmung von aus Spekulationsgründen leerstehendem Wohnraum und ein öffentliches Wohnungsbauprogramm ist. Aber diese Menschen werden jetzt massiv mit rassistischer Propaganda bombardiert werden. Es besteht die Gefahr, dass sich soziale Ängste zunehmend mit rassistischen Märchen vom „Kampf der Kulturen“ verquicken.
Parteien, die den Rassismus nur insoweit bekämpfen, wie er „dem Standort Deutschland schadet“, und zugleich die neoliberale Politik betreiben, die den Flüchtlingszustrom erst zum Problem macht (mangelnder bezahlbarer Wohnraum, wenig Integrationsangebote für Flüchtlinge, Arbeitslosigkeit, Armut etc.), werden den Rassismus sicher nicht stoppen. Merkels „Wir schaffen das“ wird immer mehr als verlogen empfunden werden, wachsende Schichten werden von dieser Politik entfremdet sein.
Die Existenz der Partei DIE LINKE hat die Entstehung einer rechtspopulistischen Partei jahrelang verzögert. Leider genügte die Existenz der Partei auf Dauer nicht, eine radikale linke Politik ihrerseits wäre auch notwendig gewesen. Aber weite Teile der Partei streben danach, von der etablierten Politik als vollwertig anerkannt zu werden. Sie sehen Regierungsbeteiligung als einzigen Weg zur Veränderung – in einem Land, in dem für sämtliche möglichen Koalitionspartner „Veränderung“ v.a. Verschlechterung für die Masse der Bevölkerung bedeutet. In Sachsen-Anhalt hat die Linke jetzt massiv an Stimmen verloren (von 235.011 auf 183.196), in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat sie zwar absolut zugelegt, aber wegen der gestiegenen Wahlbeteiligung in Prozenten gerechnet stagniert.
Dass es auch anders gehen kann, zeigten eine Woche vorher die Kommunalwahlen in Hessen, in denen DIE LINKE in mehreren Kommunen mit einer Orientierung auf Bewegungen und Kampagnen deutlich zulegen konnte (z.B. in Kassel, wo ein SAV-Mitglied das zweitbeste Wahlergebnis der LINKEN hatte). Das zeigte z.B. auch in Baden-Württemberg der Wahlkreis Stuttgart I, in dem DIE LINKE mit einem bekannten Aktivisten der Bewegung gegen das Großprojekt Stuttgart 21 als Kandidaten ihr Ergebnis um 3,9% auf 7,3% steigerte … und hier besser als die AfD (7,0%) abschnitt.
Fatal wäre, wenn DIE LINKE auf die Erfolge der AfD reagiert, indem sie im Namen der „Gemeinschaft der Demokraten“ einen Einheitsbrei mit den Parteien bildet, die mit ihrer Politik der AfD gerade die WählerInnen zutreiben. Wenn die AfD Flüchtlinge, Moslems/Muslima und andere als Sündenböcke für die Auswirkungen des Kapitalismus verantwortlich macht, muss DIE LINKE die kapitalistischen Ursachen deutlich benennen und für antikapitalistische und sozialistische Lösungen kämpfen.