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Der Kampf um Selbstbestimmungsrechte von Frauen in Polen

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Theresa Reimer

Letzte Woche gab Polens Ministerpräsidentin Beate Szydlo, Mitglied der nationalkonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit-Partei), bekannt, dass sie in Zukunft auf ein fast absolutes Abtreibungsverbot von Frauen in Polen plädieren wird. Bei Nichtbeachtung dieser womöglichen Gesetzesänderung würden Frauen, die Abtreibungen durchführen lassen, eine bis zu 5-jährige Gefängnisstrafe riskieren. Seit dem Jahr 1993 gab es bislang die Ausnahmeregelungen, dass Abtreibungen straffrei gesetzt wurden, wenn eine Missbildung oder unheilbare Krankheit des Fötus vorlag, wenn Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Frau bei einer Weiterführung der Schwangerschaft bestand, oder wenn die Frau aufgrund von Inzest oder Vergewaltigung schwanger geworden war. Nun soll dieses ohnehin schon weitgehend verwehrte Recht auf Selbstbestimmung von Frauen noch mehr beschnitten werden. Lediglich legal wäre nur mehr eine Abtreibung, wenn das Leben der Frau aufgrund der Schwangerschaft auf dem Spiel steht.

Doch auch in diesem Fall wäre es nicht sicher, dass der Frau der Zugang zu einer Abtreibung nicht verwehrt wird. In Polen ist der Staat, ähnlich wie in Irland, immer noch stark mit der Kirche verbunden. Das heißt, dass ÄrztInnen in viele Krankenhäuser, auch im dem Falle, dass die Ausnahmeregeln zutreffen, keine Abtreibungen durchführen. Im Jahre 2014 wurden lediglich 1812 legale Abtreibungen registriert. Frauenrechtsorganisationen und feministische Initiativen schätzen aber, dass bis zu 100 000 Frauen jährlich illegal eine Abtreibung durchführen. Viele dieser Frauen reisen dabei in die Nachbarländer Deutschland oder Tschechien, wo Abtreibungen legal sind. Frauen, die aber die finanziellen Hürden einer Abtreibung im Ausland nicht auf sich nehmen können, lassen Abtreibungen illegal, bei einer nicht sicher gestellten medizinischen Versorgung, durchführen.

Initiativen, die sich für Reproduktionsrechte von Frauen einsetzen, wie WomenOnWeb und WomenOnWaves unterstützen polnische Frauen schon länger darin, sichere Abtreibungen durchzuführen. Auf ihren Webseiten können sich Frauen von ÄrztInnen beraten lassen und daraufhin die Pillen Misoprostol und Mifepristone bestellen, um einen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen, vorausgesetzt der Staat, in dem die Frau lebt, verbietet Abtreibungen. Diese Medikamenten haben selten Nebenwirkungen, sind in 90 Prozent der Fälle beim ersten Einnehmen wirksam und sind finanziell leichter erschwinglich. Zum Vergleich: diese Pillen kosten zusammen keine hundert Euro, während eine Abtreibung in Polen, unter den vorausgesetzten Ausnahmeregelungen etwa 1300 Euro beträgt. Zusätzlich sind Verhütungsmittel in Polen schwer zugänglich. Frauen erwartet, wenn sie den Wunsch nach der Pille äußern, häufig eine Vielzahl von unangenehmen Fragen, bspw. warum sie zu diesem Moment keine Kinder möchten und warum sie womöglich mit einem bestimmten Alter noch verhüten, wenn sie noch keine Kinder haben. Selbst Priester weisen Frauen teilweise darauf hin, dass es an der Zeit wäre wieder schwanger zu werden, wenn das jüngste Kind schon ein gewisses Alter erreicht hat. Diese Verhaltensweisen stellen einen massiven Einschnitt in die Rechte von Frauen dar.

Auch bei dem erneuten Angriff auf Frauenrechte hat die Kirche ihre Finger im Spiel. Der Präsident der Bischofskonferenz gab erst vor Kurzem bekannt, dass er den „vollen Schutz von ungeboren Leben“ fordert. Eine Gruppe von christlichen FundamentalistInnen, pro-life AktivistInnen und Rechtsextremen hat es sich daraufhin selbst zur Aufgabe gemacht 100 000 Unterschriften für ein gänzliches Abtreibungsverbot zu sammeln. Am Tag der „Heiligkeit des Lebens“ wird die Forderung landesweit in den Gottesdiensten verlesen werden.

Doch all die Bemühungen des polnischen Staates und der katholischen Kirche tragen keine Früchte und werden dies auch in Zukunft nicht tun, wenn sich die gesamtgesellschaftliche Lage in Polen nicht ändert. Polen hat eine der niedrigsten Geburtenraten in ganz Europa, es wird davon ausgegangen, dass die Bevölkerung in den nächsten Jahren noch weiter stagnieren wird. Interessant ist hierbei, dass die Geburtenrate von polnischen EinwanderInnen in Großbritannien ca. zwei bis dreimal so hoch ist wie in Polen, in dem restriktivere Abtreibungsgesetze vorherrschen. Frauen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht bereit für ein Kind sind, brechen Schwangerschaften ab. Es ist nur die Frage, ob sie dies unter gefährlichen Bedingungen tun oder Möglichkeiten gegeben sind, die einen legalen, kostenlosen und sicheren Abbruch für alle Frauen erlauben. Der Grund, weshalb die Geburtenrate in Polen so niedrig ist, liegt daran, dass die ökonomischen Vorraussetzungen Kinder zu bekommen, für die meisten Frauen nicht gegeben sind. Das durchschnittliche Einkommen betrug im Jahr 2014 etwa 510 Euro, die Austeritätsmaßnahmen werden weiter geführt, die Arbeitslosigkeit steigt und 6,2 Millionen Menschen sind armutsgefährdet. 2,5 Millionen Menschen, das sind etwa 7,4 Prozent der Gesamtbevölkerung müssen mit unter 130 Euro pro Monat auskommen.

All diese Entwicklungen der letzten Zeit spiegeln einen enormen Backlash innerhalb der polnischen Gesellschaft wieder. In Folge der neoliberalen Politik, die Frauen massiv zurück in konservative Rollenbilder und in ökonomische Abhängigkeit trieb, wird auch immer mehr an den Reproduktionsrechten von Frauen gerüttelt. Doch eines ist klar: Bereits viel zu viele Frauen haben ihr Leben aufgrund von Kirche und Staat aufs Spiel gesetzt. Viele tausend Frauen und Männer haben am Sonntag für Selbstbestimmungsrechte und gegen restriktive Abtreibungsgesetze vor Polens Parlament demonstriert. Am Samstag soll die nächsten großen Protestaktionen stattfinden. In mindestens 15 polnischen Städten sind Demonstrationen geplant, auch international zeigen sich Menschen an diesem Tag in Städten wie Paris, Budapest, Prag, Dublin und Berlin solidarisch mit den Frauen in Polen. Das tragische Symbol dieser Protestbewegung stellen Kleiderbügel dar, die die Realität vieler Frauen darstellen, in denen Ländern Schwangerschaftsabbrüche verboten sind.

Auch „Nicht mit mir“ will ihre Solidarität mit den Frauen ausdrücken, deshalb kommt am Samstag vor die polnische Botschaft und lasst uns gemeinsam kämpfen!

 


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