Die Migrations- bzw. Flüchtlingsfrage ist eines der bestimmenden Themen in der österreichischen Politik. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Titelseiten der Tageszeitungen gegen Flüchtlinge hetzen, oder PolitikerInnen rassistische Gesetze beschließen. Das kann man auch bei Wahlen erkennen. Während bei den Wahlen in der ersten Jahreshälfte 2015 Zuwanderung und Integration noch eine geringere Rolle gespielt haben (in der Steiermark gaben 28% Zuwanderung und Integration als wichtiges Thema an, im Burgenland 38%), war bei den späteren Wahlen in Oberösterreich und Wien Asyl das zentrale Thema (OÖ 61%, Wien 65%). In anderen Umfragen geben konstant über 60% der Befragten an, dass die momentanen Flüchtlingsströme Sorgen bei ihnen auslösen.
Hier ist es aber wichtig festzuhalten, dass diese Sorgen in vielen Fällen kein eingefleischter Rassismus sind. Wenn nach den Gründen für die Angst oder Sorgen gefragt wird, ergeben die meisten Umfragen, dass die Sorgen um Arbeitsplätze, Finanzierbarkeit durch das Sozialsystem, Wohnungen etc. Überwiegen, während Angst vor Islamisierung oder um „unsere Kultur“ tendenziell eher an zweiter Stelle stehen. Die Sorgen vor Flüchtlingsbewegungen fallen zusammen mit einer allgemein schlimmer werdenden Krise des Kapitalismus in Österreich, die bei vielen Leuten berechtigte Zukunfts- und Existenzängste auslöst.
Diese Stimmung zeigt auch die große Solidaritätswelle, die mit der Ankunft der ersten größeren Flüchtlingsgruppen nach Österreich begonnen hat. Spontan begannen Tausende, oft zum ersten mal politisch aktiv, zu helfen, Spenden zu sammeln, Deutschkurse zu geben und zu demonstrieren. Der Höhepunkt war der 3. Oktober, an dem über 100.000 auf der Straße waren. Teilweise spendeten auch Menschen, die Flüchtlingen und MigrantInnen sonst eher skeptisch gegenüberstehen.
Die absolute Notsituation der Flüchtenden und die 71 Toten auf einer österreichischen Autobahn haben den meisten ArbeiterInnen und Jugendlichen die härtesten Auswirkungen der weltweiten Krise des Kapitalismus gezeigt: Flucht, Armut und Krieg. Die Reaktion darauf war genau wie in anderen Ländern überwiegend solidarisch.
Dieses Potential einer gigantischen Solidarität wurde allerdings vor allem von den OrganisatorInnen des 3. Oktober nicht genutzt. Sie hätten den Anstoß für den Aufbau einer starken Bewegung geben können, die tatsächlich eine linke Alternative zur rechten Hetze dargestellt hätte, indem sie die sozialen Fragen aufgegriffen hätte. Doch auf den großen Demos wurde Angst vor Arbeitslosigkeit, hohen Mieten und Lohndruck am Arbeitsplatz nur von uns wirklich angesprochen. Doch das wäre unbedingt notwendig gewesen, um die Unzufriedenheit, die in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik (laut Umfragen des Imas Instituts sind 68% entweder überhaupt nicht oder eher nicht mit der Politik der Regierung zufrieden) existiert, in eine linke Richtung zu lenken. Wir haben mit dem Slogan „Flüchtlinge bleiben – Reiche enteignen“ versucht aufzuzeigen, dass der Kapitalismus für sinkenden Lebensstandard verantwortlich ist und eben nicht Flüchtlinge.
Außerdem wurde den Tausenden, die sich an Bahnhöfen, Flüchtlingsunterkünften und auf der Straße aktiviert haben, kein Angebot zur politischen Mitarbeit und Organisierung geboten. Doch je ausgelaugter diese werden, umso dringender ist die Frage: woher soll das Geld und die Ressourcen eigentlich kommen. Hier wird das Fehlen einer großen linken Partei besonders deutlich, die ein Organisations- und Widerstandsangebot hätte setzen können: Die Gewerkschaft hat sich mehr alibimässig an der Bewegung beteiligt und die Organisationen der radikalen Linken, die die Demonstration dominiert haben, haben diese lieber von oben ohne Mitsprache organisiert, anstatt BasisaktivistInnen einzubinden. Auch ist es kaum gelungen, Flüchtlinge, die schon in Österreich sind oder bleiben wollen, in die Proteste einzubinden. Um die v.a. freiwilligen AktivistInnen und HelferInnen aus verschiedenen Zugängen einzubinden, haben wir die Idee einer Konferenz aller FlüchtlingsaktivistInnen eingebracht – was wichtig gewesen wäre, um die zunehmend frustrierten HelferInnen nicht politisch alleine zu lassen, sondern auch ihnen Auswege aufzuzeigen. Leider sind nur wenige auf diese Idee aufgesprungen und es ist nicht gelungen, eine bleibende Bewegung aufzubauen. Dennoch hat die Bewegung Tausende zum ersten Mal zur politischen Aktivität gebracht. So entsteht politisches Bewusstsein, was auch für künftige Bewegungen wichtig ist. Doch die fehlende längerfristige Bewegung und Organisierung hat es den rechten Hetzern, Strache, Krone, Identitären und Co. leichter gemacht, die öffentliche Stimmung zumindest in Teilen zu ihren Gunsten zu drehen.
Auch die größte und am besten verankerte linke Partei, die KPÖ Steiermark, hat eine eher problematische Rolle gespielt. Auf der einen Seite machen sich Vertreter mit stalinistischem Hintergrund für Grenzen für den sonst „… Eunuchenstaat Österreich..“ stark und auf der anderen Seite beschränken sich andere in der KP-Steiermark auf Gerede von Menschlichkeit. Was nötig gewesen wäre, ist eine große Kampagne in der gesamten Steiermark, in der das Thema Flucht mit sozialen Themen und der Frage wer zahlen soll verbunden wird. Einen Schritt in die richtige Richtung stellt das Flugblatt der KP-Steiermark dar, das vor einer rassistischen Demonstration in Spielfeld an alle Haushalte gesendet wurde, in dem klargemacht wird, dass Flüchtlinge nicht für soziale Probleme verantwortlich sind. Ein richtiger (wenn auch später) Ansatz, der aber nicht wirklich weiter verfolgt wurde.
Teilweise hat auch die Politik der Regierung rassistische Tendenzen massiv genährt. Indem die Regierung anstatt mehr Geld zur Verfügung zu stellen, bei Bildungs- und Sozialeinrichtungen spart bzw. Einrichtungen zwingt, zu entscheiden ob sie z.B. das Geld für Flüchtlinge oder für bedürftige ÖsterreicherInnen einsetzen, schafft sie die Basis für die Argumente der Rechten. In Zukunft wird dieser Trend noch weiter gehen bzw. sogar noch weiter zunehmen, da die Mittel schon jetzt zu knapp sind und noch knapper werden.
Auch die von Medien und der Politik der Regierung bewusst erzeugten Bilder von überfüllten Flüchtlingsunterkünften (z.B. Traiskirchen), Flüchtlingsmassen an der Grenze und an den Bahnhöfen, haben dazu beigetragen, in der Bevölkerung Angst zu schüren. Tatsächlich ist vieles an der Flüchtlings“krise“ Stimmungsmache von Medien und Politik. Denn in der Vergangenheit wurden schon größere Flüchtlingsströme bewältigt (Ungarnaufstand, Jugoslawienkriege) bzw. ist es während Großereignissen (Donauinselfest und Co.) oder Umweltkatastrophen innerhalb kürzester Zeit möglich, viel größere organisatorische Aufgaben zu bewältigen. Wäre der politische Willen vorhanden, wäre es absolut möglich, die hier ankommenden Flüchtlinge angemessen zu versorgen auch ohne eine Verschiebung von armen ÖsterreicherInnen zu Flüchtlingen vorzunehmen.
Auch auf europäischer Ebene zeigen sich die Herrschenden als unfähig bzw. unwillig die Flüchtlingsströme auch nur irgendwie zu bewältigen. Die von verschiedenen Seiten präsentierten Lösungen laufen de facto auf europaweite Verteilung plus sichere Außengrenzen bzw. Aufnahmestopp und Grenzschutz hinaus. Die europaweite Verteilung hat bis jetzt überhaupt nicht funktioniert, nur eine Handvoll von Flüchtlingen wurden z.B. aus Griechenland ausgeflogen. Und was sichere Außengrenzen bedeutet, fasste Außenminister Sebastian Kurz treffend zusammen: "Der EU-Beschluss für eine Kooperation mit der Türkei sagt in Wahrheit, dass Erdogan sich für uns die Hände schmutzig machen soll. Das sollte man aber auch offen aussprechen. Es ist doppelbödig, Erdogan drei Milliarden dafür zu bezahlen, dass er die Flüchtlinge aufhält, und sich dann auch noch mit Menschlichkeit zu brüsten." Auch die Vorschläge der Rechten nach Grenzzäunen und Grenzschutz sind bestenfalls rassistische Scheinlösungen. Der einzige Grund warum Orbans-Zaun „funktioniert“ ist, weil die meisten Flüchtlinge jetzt über Slowenien kommen. Um Grenzen wirklich „dicht“ zu machen, wären massive Kosten und brutale, sogar tödliche Gewalt nötig, ähnlich wie zu Zeiten des eisernen Vorhangs.
Das Thema Flüchtlinge wird auch weiter enorme Bedeutung in der österreichischen und internationalen Politik haben. Die Fluchtgründe werden nicht weniger: die Kriegsgebiete werden immer größer (Bsp. Bürgerkrieg im türkischen Teil Kurdistans), immer mehr Länder versinken im Chaos (Libyen) und auch andere Fluchtgründe wie Klimawandel werden in Zukunft weiter zunehmen. Dem sind sich die ÖsterreicherInnen auch bewusst. 68% denken, es werden nächstes Jahr noch mehr Flüchtlinge kommen. Es wird für die Linke zentral sein, soziale Fragen im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation aufzubringen, eine Basisbewegung aufzubauen und auch Gewerkschaften einzubinden, um zu verhindern, dass die Rechten weiter profitieren können. Denn solange es nicht gelingt, die Flüchtlingssituation mit der Wut über gesellschaftliche Ungleichheit und der Kritik am kapitalistischen System zu verbinden, wird es weiter Wasser auf die Mühlen der Rechten, RassistInnen und vor allem der FPÖ sein.
FPÖ: Wahlerfolge, Umfragehoch und Radikalisierung am rechten Rand
Die Stärke der FPÖ sowohl bei Wahlen (Steiermark 26,8% plus 16,1%, Burgenland 15 % plus 6,1%, Oberösterreich 30,4% plus 15,1%, Wien 30,8% plus 5%) als auch bei Umfragen, wo sich die FPÖ mittlerweile mit über 30% konstant und um 5-10 Prozentpunkte vor den Regierungsparteien befindet und wo auch Strache in der Kanzlerfrage führt, drückt die oben beschriebene Stimmung aus.
Besonders gut sieht man das an Wahlpakten wie „neue Wohnungen statt neuer Moscheen“ (Stmk. 2015) oder an der Aussage im Zusammenhang mit der Zielpunkt-Pleite, dass Geld für Flüchtlinge da sei, aber nicht für die Beschäftigten. Diese andauernde Hetze durch die FPÖ in Kombination mit der fehlenden Linken führt dazu, dass viele Menschen, auch ArbeiterInnen, diesen rassistischen „Lösungsansatz“ verinnerlichen.
Gleichzeitig muss aber klargestellt werden, dass die FPÖ keine „ArbeiterInnenpartei“ ist. Dies wird nach jeder Wahl behauptet, da angeblich die Mehrzahl der ArbeiterInnen FPÖ wählen würde. Das ist eine sehr irreführende Darstellung, die auch das Ziel hat, „die ArbeiterInnen“ als ungebildet darzustellen. Diese Behauptung beschränkt sich auf die arbeitsrechtlichen ArbeiterInnen. Tatsächlich gehören aber weit mehr Menschen zur ArbeiterInnenklasse, und sind damit „ArbeiterInnen“ im eigentlichen Sinn, also Menschen die auf ein Einkommen aus Arbeit angewiesen sind. Dazu gehören in der Realität (arbeitsrechtliche) ArbeiterInnen, Angestellte aber auch viele freien DienstnehmerInnen, WerksvertragsnehmerInnen und auch Scheinselbstständige. Außerdem beteiligen sich große Teile der ArbeiterInnenklasse gar nicht mehr am „demokratischen Prozess“ bzw. dürfen es nicht. Die Wahlbeteiligung ist in den ärmeren Bezirken meistens deutlich niedriger (Bsp. Wien 69,26% 15. und im 20. 69,92%, im Vergleich dazu allgemein 74,8%). Wenn man bei der Wien Wahl die Nichtwähler und diejenigen die aufgrund „falscher“ Staatsbürgerschaft nicht wählen dürfen mit einberechnet, ist die stärkste „Partei“ jene der NichtwählerInnen mit 43,9% (zum Vergleich: SPÖ auf 21%, FPÖ 16,8%). Bei den Wahlen in der Steiermark und in Oberösterreich kamen sehr viele Stimmen für die FPÖ aus klassisch kleinbürgerlichen Kreisen (Ex-ÖVPler, Bauern, KleinunternehmerInnen). Auch die FunktionärInnen der FPÖ kommen mit überwältigender Mehrheit aus besser gestellten Schichten (Burschenschaften, Anwaltskanzleien usw.). Außerdem wird eine ArbeiterInnenpartei zentral durch Programm, Geschichte, Orientierung und wie sie von der Klasse gesehen wird, bestimmt und die FPÖ hat weder ein „proletarisches“ Programm noch spricht sie ArbeiterInnen wirklich als ArbeiterInnen an, sondern als „Österreicher“.
Auch wenn die Wahlen wie weiter oben erwähnt rassistisch aufgeladen werden, sind die meisten FPÖ-WählerInnen durchaus nicht überzeugte RassistInnen. Auch hier lassen sich Unterschiede feststellen. Auf der einen Seite gibt es sicher langjährige SympathisantInnen der FPÖ, die schon bei vielen Wahlen Blau wählen, begeistert rassistische Kommentare auf Facebook posten und bei Wahlkampfevents die Österreich-Fahnen schwenken. Aber genauso zeigt sich bei den meisten Wahlen, dass vor allem auch diejenigen FPÖ wählen, die mit der jeweiligen Regierungspolitik am unzufriedensten sind. Bei der Wien Wahl haben 76% der Menschen, welche meinen, Wien hat an Lebensqualität verloren, die FPÖ gewählt. Die FPÖ wird hier auch als Ausdrucksform für Proteste gesehen.
Die Erfolge bei Wahlen und Umfragen nähren bei vielen FPÖ-FunktionärInnen die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung. Auch der schon bisher begrenzte Widerstand der beiden ehemaligen Großparteien SPÖ bzw. ÖVP, die FPÖ in die Regierungen zu nehmen, schwindet. Im Burgenland (SPÖ) und in Oberösterreich (ÖVP) ist die FPÖ mittlerweile an der Regierung beteiligt.
Auch für immer größere Teile des österreichischen Kapitals wird eine FPÖ-Regierungsbeteiligung interessant. 1999 hat z.B. die Industrieellenvereinigung zur Schwarz-Blauen Koalition gedrängt. Es sind vor allem die Teile des Kapitals, denen der Kürzungskurs der SPÖVP Regierung zu langsam geht. Anfang 2016 auch durch ÖVP-Wirtschaftskammerchef Leitl, der sich positiv für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aussprach. Gerade für einen Teil des heimischen Kapitals passt auch der von der FPÖ geschürte Nationalismus durchaus zu den eigenen Interessen von „Österreich zuerst“. Das Kapital erhofft sich von einer FPÖ-Regierungsbeteiligung einen schnelleren neoliberalen Kürzungskurs, der mit rassistischer Hetze kombiniert werden kann, um Widerstand abzuschwächen. Dazu passt auch, dass Strache Ursula Stenzl als seine Magaret Thatcher vorstellt, dem Vorbild aller neoliberalen ArbeiterInnenfeinde.
Bei den FPÖ Regierungsbeteiligungen auf Länder- und Gemeindeebene zeigt sich gut, was das bedeutet. In Oberösterreich wird im Sozialbereich gekürzt, Überwachung ausgebaut und rassistische Gesetze werden beschlossen (Deutsch als Pausensprache, keine Wohnungen ohne Deutschkenntnisse). Ein besonders gutes Beispiel für die blaue Politik ist Wels, wo der neue FPÖ-Bürgermeister mit sozialem Kahlschlag begonnen hat, indem er Förderungen für die mobile Altenhilfe, soziale Betreuungsdienste, barrierefreies Planen und Bauen, Umwelt- und Schallschutzwände und Hilfe bei Wohnungskosten für Jugendliche, Familien und AlleinerzieherInnen gestrichen hat. FPÖ-Kürzungen und der Widerstand dagegen können in Zukunft ein wichtiger Bereich sein, um der FPÖ die soziale Maske vom Gesicht zu reissen.
Zusätzlich gibt es am rechten Rand der Gesellschaft eine Radikalisierung von Teilen der Mittelschichten (kleine UnternehmerInnen, AnwältInnen, besser gestellte Angestellte und deren Kinder) – ausgelöst durch die anhaltende Wirtschaftskrise und die Abstiegsängste der Mittelschicht und polarisiert durch die ankommenden Flüchtlinge. Das zeigt sich unter anderem durch einen starken Anstieg von Waffenkäufen, der wachsenden Unterstützung für rechtsextreme Gruppen, häufiger stattfindende kleine rechtsextreme Demonstrationen und einen starken Anstieg an rechtsextremen Straftaten (im Jahr 2015 bis September 1201 rechte Straftaten - 5x so viele wie im Vorjahreszeitraum).
Immer wieder beteiligen sich auch FPÖ-FunktionärInnen (als Identitäre, bei PEGIDA usw.) an rechten Aufmärschen oder fallen durch Hetze im Internet auf. Die FPÖ-Spitze fährt hier eine Doppelstrategie: sie lässt eine weniger auffällige Schicht gewähren bzw. spricht von (einer Serie von) Einzelfällen und geht aber gleichzeitig, um sich „regierungsfähig“ zu präsentieren, gegen jene vor, die auch aus anderen Gründen (innerparteiliche Machtkämpfe) lästig werden. Deshalb wurden in den letzten Jahren einige hochrangige VertreterInnen des rechten Randes der FPÖ von wichtigen Positionen abgesetzt, z.B. Andreas Mölzer, Martin Graf, Susanne Winter. Trotzdem braucht die FPÖ auch diesen rechten Rand, da er teilweise zentral für den FPÖ-Funktionärsapparat ist, z.B. die Burschenschaften. Die FPÖ befindet sich hier deshalb bis zu einem gewissen Punkt in einem Widerspruch. Sie will ultrarechte Rülpser verhindern, muss aber das ultrarechte Klientel trotzdem bedienen. So kann man z.B. erklären, warum Strache in Spielfeld de facto zur Volksbewaffnung gegen AsylwerberInnen aufruft.
Die FPÖ ist keine homogene Partei, in ihr treffen verschiedene Interessen aufeinander. Im Moment sind die Teile, die auf eine Regierungsbeteiligung schielen, am stärksten. Doch aktuell steigt der Druck auf die FPÖ, eine Entwicklung in Richtung Pegida neben sich zu stoppen. Seit Anfang 2016 hat die FPÖ hier die „Flucht nach vorne“ angetreten. In den vergangenen Monaten hat eine Schicht in der FPÖ den Austausch und die Zusammenarbeit mit Identitären, Pegida & Co. gesucht (Eustacchio in Spielfeld, Kurzmann gegen ein geplantes Asylquartier in Graz, Begrüßung der Identitären durch die FPÖ in Wr. Neustadt, gemeinsame Kundgebung in Mistelbach…). Derartige Mobilisierungen sind eine Gefahr für Linke und MigrantInnen, treiben die Polarisierung (nach rechts) voran und antifaschistische Bündnisse, die die soziale Frage als Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen Rechts begreifen, werden wichtiger. Die FPÖ ruft inzwischen selbst zu Anti-Asyl-Heim-Protesten auf, versucht diese aber noch in einem Rahmen zu halten, der Pogrome erschwert (sie macht v.a. Standkundgebungen nicht direkt bei den Heimen). Sie versucht, diese Mobilisierungen für den Präsidentschaftswahlkampf zu nutzen und verstärkt auch den Druck für Neuwahlen. Doch wir sehen auch, dass die konkreten Mobilisierungen noch hinter den Ankündigungen zurück bleiben. Grund dafür ist wohl auch, dass der FPÖ bewusst ist, dass sie dabei ein Klientel mobilisiert, das sie kaum kontrollieren kann und damit ihre Versuche, sich als regierungsfähig zu präsentieren, konterkariert werden könnten. Sie setzt im Moment auf eine riskante Taktik und das ist ihr auch bewusst, was die durchaus unterschiedlichen Signale aus der FPÖ erklärt. Auch steht sie unter einem gewissen Zeitdruck: die Kürzungsmaßnahmen in Oberösterreich und Burgenland treffen gerade auch FPÖ-WählerInnen. Je früher Neuwahlen auf Bundesebene sind, um so besser für sie, das kann dazu führen, dass sie den riskanten Kurs verschärft.
Der rechte Rand: FaschistInnen, Identitäre und Gewalt
Die Polarisierung rund um die Flüchtlingsfrage gibt Neonazis und FaschistInnen genug Rückenwind, um aus ihren Löchern zu kriechen. Dies geht über den „üblichen“ Shitstorm in sozialen Medien hinaus und hilft Nazi-Strukturen dabei, aktiv zu werden und auf die Straße zu drängen. Während es vor einigen Jahren kaum rechtsextreme Aufmärsche gegeben hat, gibt es sie mittlerweile regelmäßig: Demonstrationen der Identitären, die Versuche Pegida nach Österreich zu bringen, die Kundgebungen in Spielfeld und Demonstrationen von diffusen rechtsextremen Gruppen in Wien und Graz sind nur einige Beispiele dafür.
Obwohl die Anzahl an rechtsextremen Demonstrationen zunimmt, beteiligt sich meistens nur eine sehr überschaubare Anzahl von Personen. Nach wie vor kommen die zentralen AkteurInnen aus dem rechtsextremen Milieu. Aber es ist der rechten Szene mit dem Flüchtlingsthema gelungen, aus ihrem engen Kreis heraus zu kommen und auch Menschen („besorgte Bürger“) ohne einschlägige Vorgeschichte zu mobilisieren, wie B. bei den Demonstrationen in Spielfeld, bei „Lichtermeeren“ in Graz, bei Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte in Salzburg bzw. auch gegen die Bundesregierung. Neu ist, dass diese zumindest kein Problem damit haben, gemeinsam mit Nazis zu demonstrieren, was eine Normalisierung des Rechtsextremismus und auch von faschistischen Gruppen bedeutet.
Im Internet gewinnen rechte Seiten teilweise massiv an Reichweite. Die FB-Seite „Wir fordern den Rücktritt von Werner Faymann“ die für die Demonstration vor dem Wiener Deserteursdenkmal verantwortlich zeichnet, hat mehr Likes als die offizielle Seite von Faymann. Auch die Identitären haben ihre FB-Likes in den letzten Monaten beinahe verdreifachen können und ihre Beiträge erreichen teilweise mehr als 200.000 Menschen, sammeln tausende Likes und werden genauso oft geteilt.
Die neofaschistischen Identitären sind jene außerparlamentarische rechte Gruppe, die am stärksten von der momentanen Situation profitiert. Sie sind in der Lage, einen AktivistInnenstamm aufzubauen, regelmäßige Aktionen und Kampagnen zu organisieren, ihre Reichweite zu erhöhen und vor allem größere Teile des Neonazi- und Hooliganmileus einzubinden. Hier sehen wir v.a. eine Umgruppierung der rechten Szene. Während zu Beginn die meisten ihrer Aktionen noch Medienaktionen waren, hat sich das nun geändert. Die Demos in Spielfeld und Favoriten haben auch gezeigt, dass sie auch provozierend durch migrantische ArbeiterInnenviertel marschieren, bzw. an der Grenze Flüchtlinge einschüchtern. Sie gehen selbstbewusster in die Öffentlichkeit und treten auch mit Werbe- und Mobilisierungsaktionen auf. Im Umfeld ihrer Aktionen kommt es immer wieder zu Gewalt gegen AntifaschistInnen und MigrantInnen, auch die SLP war einige Male davon betroffen.
Die Identitären sind eine neofaschistische Organisation. Sie versammeln die reaktionärsten Elemente aus den sich radikalisierenden Mittelschichten, die aus Angst vor der Zukunft und vor der weltweiten Krise des Kapitalismus sich einen alten guten völkischen Kapitalismus zurückwünschen. Es gibt gezielte Einschüchterungen und Angriffe auf Linke und wenn davon geredet wird, dass diese schwache Regierung uns nicht schützen kann und wir sie deshalb stürzen müssen, erkennt man auch klar eine antidemokratische Gesinnung. Das ganze wird ergänzt mit reaktionären Familienbildern, einem martialischem Auftreten, einer gewalttätigen Ideologie (Bezug auf Sparta, Reconquista) und einem Führerprinzip. Der Kern bzw. ein Großteil der AktivistInnen bestehen aus Burschenschaftern, Hooligans und bekannten Altnazis, die erkannt haben, dass die Identitären der zur Zeit erfolgreichste Versuch sind, eine außerparlamentarische Rechte aufzubauen.
Trotzdem versuchen die FaschistInnen noch als Wolf im Schafspelz, also nicht offen faschistisch und v.a. nicht gewalttätig aufzutreten. Vor allem weil die Identitären in letzter Zeit versuchen, auch „besorgte Bürger“ auf ihre Demonstrationen zu bekommen, gibt es auch ein Interesse, erkennbare Neonazis, offen rassistische Parolen und Gewalt zu unterbinden. Aber gerade das ehemalige Hooligan- und Neonazimilieu wird auf die Dauer nicht nur mit Demonstrationen und Medienaktionen zufrieden sein und zu radikaleren Schritten drängen. Die Identitären sind eine Übergangsform, in der sich verschiedene faschistische Zugänge sammeln und in der sich eine Schicht v.a. Jugendlicher radikalisiert. Doch eben jenes Zusammenkommen verschiedener Zugänge und Strategien birgt auch Sprengsatz, der dazu führen kann, dass sich radikalere Teile der Identitären abspalten bzw. sich bei einer gesamtgesellschaftlichen Radikalisierung auch der faschistische und gewaltbereite Charakter der Identitären offener zu Tage tritt.
Wenn die gesellschaftliche Polarisierung weiter zunimmt, könnten faschistische Gruppen weiter wachsen und es auch in Österreich zu einer weiteren Zunahme von rechter Gewalt kommen. Allgemein ist die Stimmung in Österreich aber noch weit entfernt von einer faschistischen Massenbewegung, die Identitären bringen im besten Fall ein paar Hundert Menschen auf die Straße (und bei den größeren Mobilisierungen sind keineswegs alle überzeugte FaschistInnen), beschränken sich oft aus Angst vor Widerstand auf kurze Medienaktionen und müssen auf ihren Demonstrationen von der Polizei geschützt werden. Trotzdem stellen die stärker werdenden Gruppen und ihr Umfeld eine reale Gefahr für MigrantInnen und Linke dar und wir müssen uns auch auf stärker werdende rechte Gewalt einstellen. Sogar der sonst am rechten Auge weitgehend blinde Verfassungsschutz nimmt im Zusammenhang mit rechter Gewalt an „dass sowohl das Auftreten der extremen Rechten als auch die Auseinandersetzung mit ihr in Zukunft verstärkt im öffentlichen Raum stattfinden werden“. Der Widerstand gegen rechte Gewalt (ähnlich wie die Arbeit unserer schwedischen GenossInnen), antifaschistischer Selbstschutz und auch das Schützen von Flüchtlingsunterkünften könnte in Zukunft zur Aufgabe von AntifaschistInnen werden. Die zunehmende und immer selbstbewusstere Gewaltbereitschaft der Rechten (in Form von „Bürgerwehren“ und auch direkten Angriffen) verlangen ein disziplinierteres Agieren unsererseits, um den maximalen Schutz unserer AktivistInnen zu gewährleisten und das rechtliche, finanzielle und gesundheitliche Risiko so gering wie möglich zu halten. Dabei ist es aber wichtig, dass wir uns stets bewusst sind, dass auch diese Aufgaben politisch, und nicht primär „militärisch“ anzugehen sind und der Hauptaugenmerk auch weiterhin auf der politischen Kampagnenarbeit liegen muss.
Auswirkungen auf die migrantische Community
MigrantInnen stellen einen wichtigen Teil der österreichischen ArbeiterInnenklasse dar und müssen, auch um Rassismus entgegenzuwirken, für sozialistische Politik gewonnen werden. Die Polarisierung und Politisierung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise hat auch verschiedenste Auswirkungen auf die vielfältige migrantische Community in Österreich. Einerseits hatten viele der freiwilligen HelferInnen migrantischen Backround, viele davon auch ehemalige Flüchtlinge, für die es eine wichtige Gelegenheit war, auch einmal Solidarität in Österreich zu erleben. Andererseits sind die schon hier lebenden MigrantInnen, vor allem Muslime, Opfer der Diskriminierung und Gewalt durch Rechte. Aber natürlich gibt es auch in verschiedenen migrantischen Communities viele, die Angst haben, dass ihre sowieso schon prekäre Lage hier in Österreich jetzt durch ankommende Flüchtlinge bedroht wird.
MigrantInnen sind, egal aus welchem Land, keine homogene Gruppe. Es gibt nicht nur große Unterschiede zwischen Nation bzw. auch Region, sondern genauso zwischen ArbeiterInnen, KleinunternehmerInnen, KapitalistInnen, ManagerInnen und Arbeitslosen. Es gibt Menschen mit unterschiedlichstem politischem und kulturellen Background, jene die in Österreich in Betrieben mit hohem gewerkschaftlichem Organisationsgrad arbeiten oder jene, die noch nie Kontakt zur Gewerkschaft gehabt haben können. Deren Bewusstsein hat sich dementsprechend auch sehr unterschiedlich entwickelt.
Die Diskriminierung von vor allem muslimischen MigrantInnen findet auf verschiedenste Art statt. Es gibt die permanente Hetze durch Politik und Medien, rassistische Gesetze wie das Islamgesetz werden beschlossen und Sozialleistungen für MigrantInnen werden gestrichen (Kürzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, geförderte Mietwohnungen nur mit Deutschkenntnissen, etc…). Zusätzlich nehmen die Angriffe vor allem auf Moslems/Muslima immer weiter zu und große Teile der Medien, auch pseudo-liberale Medien, machen den Islam zum Sündenbock für Terroranschläge.
Gleichzeitig leiden MigrantInnen generell noch härter unter der Verschärfung der Krise. Ein Viertel aller Arbeitslosen in Österreich sind MigrantInnen und haben wegen Namen oder Hautfarbe auch meistens schlechtere Chancen Jobs zu finden, fast 40% aller arbeitslosen Jugendlichen haben Migrationshintergrund. Auch bei der Ausbildung haben es MigrantInnen aufgrund von mangelnder Förderung oder Diskriminierung deutlich schwieriger. 31% der Menschen mit Migrantionshintergrund haben maximal einen Pflichtschulabschluss, bei Menschen ohne sind es nur 13%. Jede 4. Person mit Migrationshintergrund ist akut von Armut bedroht, auch weil besonders viel ohne Kollektivvertrag, als Saison- oder Leiharbeiter arbeiten.
Diese Diskriminierung, der Rassismus und die soziale Situation führt teilweise zu einer Individualisierung und einem Fokus auf das eigene Auskommen, aber auch bei vielen MigrantInnen zu einer Politisierung. Das sieht man bei der Solidaritätsbewegung mit Flüchtlingen, bei antirassistischen Demonstrationen oder auch in internationaler Solidarität mit Palästina. Vor allem da aber linke Alternativen fehlen, die Linke generell schlecht in der migrantischen Community verankert ist und auch Gewerkschaften unter MigrantInnen schwach sind (einerseits weil diese oft in Bereichen arbeiten, wo der Organisationsgrad an sich niedrig ist, andererseits weil die Gewerkschaft sich nicht speziell um migrantische KollegInnen bemüht), drückt sich diese Politisierung teilweise in eine reaktionäre Richtung aus.
In Teilen der türkischen Community gibt es Begeisterung für Erdogan. Auf Pro-Erdogan-Demonstrationen bzw. auf Demonstrationen, die von Vereinen organisiert werden, die dem türkischen Regime nahe stehen, marschieren Tausende. Teilweise gibt es unter muslimischen MigrantInnen sogar diffuse Sympathien mit dem IS, z.B. wurde 2015 eine Solidaritätsaktion von linken KurdInnen von IS-SympathisantInnen angegriffen. Diese Entwicklung ist auch Folge des staatlichen Rassismus und der miesen sozialen Situation, von der MigrantInnen besonders betroffen sind. Auch das ist ein Ausdruck für das Fehlen einer starken antirassistischen Linken bzw. ArbeiterInnenpartei, die auch in der Lage ist, MigrantInnen anzusprechen. Wie man solchen Tendenzen auch auf kleiner Ebene entgegenwirken kann, haben wir durch unsere Kampagne: “Gegen Fundamentalismus und rechte Hetze“ gezeigt, bei der wir zusammen mit SchülerInnen mit verschiedener Herkunft eine Kampagne, als Reaktion auf Drohungen durch IS-SympathisantInnen gegenüber einer kurdischen Mitschülerin, organisiert haben.
Auch die ex-jugoslawische Community ist nicht homogen. Teilweise gibt es eine gewisse Offenheit gegenüber linken Ideen, auch aus einer, bei Jungen abstrakten, Tito-Nostalgie. Aber es gibt auch einen starken Bezug auf das jeweilige Land (Serbien, Bosnien, Kroatien etc.). Vor allem Entwicklungen am Balkan können massive Auswirkungen auf die Community in Österreich haben. Wenn es zu einem Anstieg an Klassenkämpfen kommt, könnte das zu einer Politisierung führen (z.B. haben die großen Proteste in Bosnien 2014 sicher auch Einfluss auf BosnierInnen in Österreich gehabt). Genauso wie ein neues Aufflammen von sektiererischen Konflikten auch zu einer verstärkten Spaltung in der Community in Österreich führen kann.
Die linken, migrantischen Organisationen bieten keine wirkliche Organisationsalternative für die breite Masse an migrantischen Jugendlichen. Vor allem bei den türkisch/kurdischen Vereinen wie Atigf und Feykom handelt es sich primär um Kulturvereine, die sich vor allem mit der Politik in der Türkei beschäftigen. Für die meisten Jugendlichen, die hier in Österreich von Rassismus und miesen Lebensbedingungen betroffen sind, ist das nicht wirklich attraktiv. Außerdem sind die meisten Organisationen sehr stalinistisch geprägt, was eine sehr bürokratische, sektenhafte Struktur bedeutet. Die bei der Wien Wahl antretende Liste „Gemeinsam für Wien“ (eine Liste dominiert von türkischen und rumänischen Kräften) stellte den ersten Versuch einer spezifisch migrantischen Liste bei einer Wiener Wahl anzutreten, dar. Eben weil sie nicht in der Lage waren, die Klassengegensätze, die es auch in der migrantischen Community gibt, zu überdecken, blieb ihr Stimmenanteil weit unter dem Anteil von MigrantInnen in der Bevölkerung zurück. Doch die Tatsache, dass sie sich als „wir MigrantInnen“ präsentiert hat, hat angesichts des wachsenden Rassismus zumindest bei einer Schicht zum Wählen gereicht.
Die reaktionären Positionen einer Schicht in der migrantischen Community sind ähnlich wie der Rassismus von österreichischen ArbeiterInnen ein Resultat mangelnder linker Alternativen und fehlenden gemeinsamen Klassenkämpfen. Für SozialistInnen und GewerkschafterInnen ist es deshalb enorm wichtig, MigrantInnen in Organisationen und Bewegungen der ArbeiterInnenklasse und der Linken zu integrieren. Dazu ist es unbedingt notwendig, gerade in Betrieben und Bereichen mit hohem MigrantInnenanteil aktiv zu sein. Vor allem auch deshalb, weil die gemeinsame Arbeit schon dabei hilft, Vorurteile zwischen verschiedenen MigrantInnengruppen bzw. „ÖsterreicherInnen“ abzubauen. Ein gemeinsamer Kampf kann Vorurteile schneller abbauen als jedes Flugblatt.
Einer der wichtigsten Orte für linke Politisierung von v.a. jugendlichen MigrantInnen verschiedener Herkunft können Demonstrationen/Proteste gegen Rassismus, FPÖ und in Solidarität mit Flüchtlingen sein. Auch rund um die teilweise katastrophale Unterbringung und Behandlung von Flüchtlingen kann es zu Protesten von Flüchtlingen kommen – hier können wir auf unsere Erfahrungen in der Flüchtlingsbewegung zurückgreifen und Punkte wie Selbstorganisation, demokratische Strukturen etc. einbringen.
Was tun in der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung
Die Polarisierung in Österreich rund um das Flüchtlingsthema führt nicht nur zur Stärkung der Rechten, sondern auch zu einer Politisierung in Richtung Antirassismus und Flüchtlingssolidarität. Die große Beteiligung an diverser Hilfe und antirassistischen Demonstrationen sind Beispiele dafür. Auch die Stärke der FPÖ löst bei Vielen den Wunsch aus, etwas dagegen zu tun.
Das und das allgemeine Erstarken der Rechten, sowohl im Parlament als auf der Straße, macht die Bereiche Antirassismus und Antifaschismus auch in Zukunft zu wichtigen Arbeitsfeldern für SozialistInnen. Besonders auch weil die allgemeine antifaschistische Bewegung sich in der Krise befindet und weder auf FaschistInnen auf der Straße noch im Parlament angemessen reagieren kann.
Zentral ist es vor allem, den Antifaschismus/Antirassismus dorthin zu tragen, wo die Menschen am stärksten betroffen von Rassismus und Kürzungspolitik sind, in proletarisch und migrantisch geprägte Bezirke, Schulen und Betriebe. Gute Beispiele für so eine Bezirksarbeit sind die SLP-Kampagnen gegen das blaue Fest oder die Linzer Kampagne gegen rechte Gewalt, bei denen wir durch regelmäßige Straßenpräsenz, durch Kundgebungen, Besuchen in Lehrlingswerkstätten und Flyeraktionen vor Schulen und AMS soziale Antworten auf rassistische Propaganda gegeben haben.
Am wichtigsten, um FPÖ & Co. erfolgreich zu bekämpfen ist ein sozialistischer statt moralischer Antifaschismus/Antirassismus. Es wird leider nichts bringen, immer nur mit der Moralkeule auf FPÖ-WählerInnen zu reagieren und sie als Nazis zu beschimpfen. Es ist notwendig aufzuzeigen, warum die FPÖ eine Partei ist, die eine Gefahr für alle ArbeiterInnen darstellt, egal welcher Herkunft. Am besten können wir das im praktischen Widerstand gegen Kürzungen durch die FPÖ. Wenn in Zukunft der FPÖ-Bürgermeister in Wels bei Sozialeinrichtungen kürzt oder Jugendeinrichtungen schließt, kann Widerstand dagegen der FPÖ die Basis abgraben. Mittlerweile ist sich auch eine immer größere Anzahl von antifaschistisch bzw. antirassistisch eingestellten Jugendlichen bewusst, dass es nicht reicht, FPÖ-WählerInnen als dumm zu beschimpfen und sie sind auf der Suche nach einer Möglichkeit, die FPÖ wirklich zu bekämpfen. Die SLP bietet diese Möglichkeit durch konkrete antifaschistische/antirassistische Arbeit.
Auch die Ereignisse in Köln, wo es Neujahr 2015 zu massiven sexuellen Übergriffen von Personen mit teilweise nordafrikanischem Background gekommen ist, zeigen wie nutzlos ein „moralischer Antifaschismus“ ist. Viele liberal-bürgerliche haben quasi von einem Tag auf den anderen ihren Antirassismus mit einem chauvinistischen Rassismus gegen Muslime ausgetauscht. SozialistInnen haben aufs Schärfste die sexuellen Übergriffe verurteilt und bekämpfen die patriarchalen Strukturen, die zu solchen furchtbaren Attacken führen. Deshalb fordern wir ja auch in verschiedenen Zusammenhängen frühen Aufklärungsunterricht an Schulen, im Rahmen dessen auch gegen sexistische Vorurteile und Verhalten vorgegangen wird, ausreichend Investitionen in Straßenbeleuchtung, Personal im öffentlichen Raum und in Einrichtungen für Opfer von sexueller Gewalt. Auf der anderen Seite müssen SozialistInnen sich aufs Schärfste gegen die Vereinahmung von antisexistischen Protesten durch rassistische Kräfte wehren. Diejenigen, die jetzt auf rechter und konservativer Seite von der Gefahr für „unsere europäischen Frauen“ reden, sind dieselben, die vor einigen Jahren noch gegen ein Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe waren (ÖVP), der Meinung sind „Frauenhäuser zerstören Familien“ (FPÖ St. Pölten) oder die sich gegen die Bestrafung von sexistischen Übergriffen gestellt haben (ÖVP & FPÖ).
Gewerkschaften und Antirassismus bzw. Antifaschismus
Es ist wichtig, dass AntifaschistInnen/AntirassistInnen bewusst versuchen, GewerkschafterInnen in diese Arbeit einzubinden. Die ArbeiterInnenbewegung gehört zu den ersten Opfern der Rechten, in den Gewerkschaften sind viele AntifaschistInnen/AntirassistInnen, und die Gewerkschaften als größte Organisationen der österreichischen ArbeiterInnenklasse verfügen noch immer über enorme Möglichkeiten. Ein erster Schritt in diese Richtung sind die Anträge, die wir auf verschiedenen Gewerkschaftskongressen eingebracht haben und die u.a. fordern, dass die Reichen und die Verursacher für die Kosten der Flüchtlingsunterbringung zahlen müssen, sowie für ein öffentliches Investitionsprogramm, mit dem Jobs für Flüchtlinge und ÖsterreicherInnen geschaffen werden sollen.
Diverse Seminare, Veranstaltungen, Presseaussendungen und Aussagen von Spitzenfunktionären zeigen, dass sich auch die Gewerkschaftsbürokratie bis zu einem gewissen Grad der Problematik von aufsteigender Rechte, FPÖ und Rassismus bewusst ist. Die FPÖ hat oft genug bewiesen, dass sie gewerkschaftsfeindlich ist, dass sie in Regierungen gegen ArbeiterInnenrechte vorgeht und allgemein versucht, die Gewerkschaften zu schwächen. Das beunruhigt sogar die verschiedenen Ebenen der Gewerkschaftsbürokratie. Es gibt aber auch eine Schicht in Gewerkschaft bzw. AK, die sich innerhalb der SPÖ für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ stark macht. Hier treffen sich der Rechtspopulismus der FPÖ und der Österreich-Chauvinismus der Gewerkschaften in einem gefährlichen „unsere Leute zuerst“ Ansatz. Doch aktuell beschränken sich auch die Gewerkschaften weitgehend auf einen moralischen und staatstragenden Antifaschismus, wenn sie überhaupt etwas tun. Während der Flüchtlingskrise und der Solidaritätswelle gab es ein großes Verlangen nach Antworten und Lösungen in der gesamten Bevölkerung, das von keiner Partei befriedigt werden konnte. Hätte die Gewerkschaft zu diesem Zeitpunkt eine Kampagne gestartet, die verlangt hätte, Fluchtverursacher zur Kasse zu bitten und Wohnungen von Immobilienspekulanten für Flüchtlinge und Obdachlose zur Verfügung zu stellen, hätte man ein starkes Gegengewicht zur Hetze der FPÖ darstellen können.
Dass die Gewerkschaft auch allgemein auf eine kämpferische Politik verzichtet und lieber auf die Sozialpartnerschaft hofft, drückt sich eben auch im Antifaschismus/Antirassismus aus, denn das sinnvollste Gegengewicht zum Aufstieg der Rechten wäre eine kämpferische Gewerkschaftspolitik. Dieses Versagen der Gewerkschaftsbürokratie in diesen Bereichen macht es für SozialistInnen um so Notwendiger, in den Gewerkschaften zu arbeiten.
Antifaschismus in die Offensive sozialistisch und kämpferisch
In der kommenden Periode wird es zu den wichtigsten Aufgaben der SLP zählen, antifaschistische/antirassistische Arbeit zu leisten und vor allem die vielen radikalisierten Jugendlichen zu gewinnen, die tatsächlich Rassismus bekämpfen wollen. Es ist wichtig aufzuzeigen, dass das aktuelle Erstarken des Rechtsextremismus und Rassismus weder unumkehrbar ist noch direkt in den Faschismus führt! Gerade unter Linken macht sich eine gewisse Weltuntergangsstimung breit, die durch die verzerrende mediale Berichterstattung und v.a. Facebook massiv verstärkt wird. Doch das Bild ist komplexer und besteht nicht nur aus Identitären, brennenden Asylheimen und Clausnitz. Sondern auch aus einer Vielzahl von Menschen, die immer noch helfen, zahlreichen Initiativen für Flüchtlinge und antifaschistischen/antirassistischen Initiativen, viele davon auf lokaler Ebene, die nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ erreichen. Wie schnell sich die Stimmung ändern kann, wurde im Sommer 2015 nach dem Bekanntwerden von 71 Toten in einem Lieferwagen deutlich bzw. in die andere Richtung nach Köln. Ähnliche Ereignisse können die öffentliche Meinung – in die eine wie die andere Richtung – rasch verändern. Das zeigt auch, dass wir es nicht einfach nur mit einem eingefleischten Rassismus in breiten Bevölkerungsschichten zu tun haben, sondern v.a. mit Angst und Verunsicherung. Eine Regierungsbeteiliung der FPÖ – und zwar sowohl in einer Koalition mit der ÖVP als auch der SPÖ – ist nach den nächsten Wahlen eine reale Gefahr. Sogar ein Kanzler Strache ist möglich. Dennoch wird nicht der Faschismus über Österreich herein brechen. Eine FPÖ-Regierung wird repressiver, unsozialer und rassistischer sein als die aktuelle. Sie wird nicht alle Fehler von 2000 wiederholen, aber dennoch mit denselben internen Spannungen konfrontiert sein (wirtschaftsliberal – national), und das Ganze vor dem Hintergrund einer weit mieseren wirtschaftlichen Ausgangssituation. Eine FPÖ in der Regierung ist gefährlich und kann v.a. relativ schnell zur Entstehung einer stärkeren echten neofaschistischen Kraft führen, wenn sich zeigt, dass die FPÖ weder sozial ist noch „alle Ausländer rauswerfen“ wird. Eine FPÖ in der Regierung wird nicht zu einer Wiederholung der Widerstandsbewegung von 2000 führen. Sie wird sich aber aufgrund der unsozialen Maßnahmen auch rasch mit Widerstand aus der ArbeiterInnenklasse konfrontiert sehen (so gab es z.B. 2003 unter blau-schwarz zwei der größten Arbeitskämpfe der letzten Jahrzehnte). Dieser Widerstand wird nicht sofort generalisiert sein, sondern kann, wie aktuell in Oberösterreich, regional bzw. um ein bestimmtes Thema von einer Schicht der ArbeiterInnenklasse geführt werden. Auch und gerade eine FPÖ-Regierung wäre daher eine speziell instabile. Als SozialistInnen ist es unsere Aufgabe, Entwicklungen genau zu analysieren und uns darauf vorzubereiten. Es ist auch unsere Aufgabe, die Vielschichtigkeit und Komplexität aufzuzeigen und was nötig ist, um den Rechtsextremismus zurück zu schlagen.
Dabei müssen wir aber auch klar machen, dass selbst die beste sozialistische antifaschistische oder antirassistische Kampagne langfristig weder Rassismus noch Faschismus stoppen kann. Was wir brauchen, um den Aufstieg der FPÖ und von faschistischen Gruppen aufzuhalten, ist eine Neuorganisation der ArbeiterInnenbewegung auf kämpferischer sozialistischer Basis. Dadurch wird es möglich sein, nicht nur eine Alternative zur rassistischen Hetze anzubieten, sondern auch faschistische Aufmärsche durch breite Mobilisierung in Betrieben, Nachbarschaften und Schulen wirklich zu blockieren.
In kommenden Klassenkämpfen werden tausende ÖsterreicherInnen und MigrantInnen zusammen gegen Verschlechterungen kämpfen und ein solidarischer gemeinsamer Kampf ist immer noch das beste Mittel, um Rassismus zurückzudrängen. Aber auch kommende Klassenkämpfe sind nur eine Chance. Es wird auch hier das bewusste Eingreifen von RevolutionärInnen notwendig sein, die innerhalb von Bewegungen und auch in einer neuen ArbeiterInnenpartei, rassistische Vorurteile bekämpfen und auf verschiedenste Art und Weise versuchen, Solidarität herzustellen.
Das CWI und die österreichische Sektion haben eine lange Geschichte der antifaschistischen und antirassistischen Arbeit. In den 90ern haben wir europaweit Jugend gegen Rassismus (JRE) organisiert sowie eine Demonstration mit 40.000 TeilnehmerInnen in Brüssel. Unsere irische Sektion hat einen der ersten erfolgreichen Streiks türkischer ArbeiterInnen in Europa organisiert und auch andere Sektionen von den USA über Schweden bis Hong Kong leisten beeindruckende antirassistische und antifaschistische Arbeit. In Österreich haben wir in den 90ern JRE in Österreich mit hunderten Mitgliedern aufgebaut, wir waren führender Teil der Widerstandsbewegung gegen Blau-Schwarz und sind auch jetzt zentraler Bestandteil der meisten antifaschistischen/antirasstischen Mobilisierungen in ganz Österreich. Oft sind wir die einzigen, die konsequent auf die Verbindung zwischen Rassismus und Ausbeutung hinweisen. Auf dieser Tradition gilt es in Zukunft weiter aufzubauen. Nur durch unsere bewusste antirassistische und antifaschistische Arbeit können wir verhindern, dass rassistische Spaltung und Vorurteile vom gemeinsamen Kampf abhält.