Der 15. Oktober ist vorbei und die Nebelschwaden der Wahlkampfversprechen und Propaganda lichten sich. Dahinter steht in ziemlich klaren Worten, was die Parteien wirklich wollen. Und vieles davon ist bedrohlich. Außer man gehört zu den Reichen und Mächtigen. Dann braucht man keine Angst zu haben. Für alle anderen aber gibt es Anlass zur Sorge.
Der Rahmen ist die internationale Wirtschaftslage
Der Rahmen, in dem sich jede künftige Regierung bewegt, ist die Exportabhängigkeit der heimischen Wirtschaft und die Schwäche der internationalen Konjunktur. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Hauptaufgabe der Regierung sein wird, den Standort Österreich zu stärken. Für nationale und internationale Unternehmen soll es attraktiv sein, hierzulande zu agieren bzw. produzieren. Dafür soll es Steuergeschenke, dass heißt dann „steuerliche Anreize“, geben und die Produktion muss im internationalen Vergleich günstig sein. D.h. die Lohnstückkosten, also die Produktionskosten pro Einheit, sollen gesenkt werden. Und damit wir das alles akzeptieren wird uns erklärt, dass wir eh alle davon profitieren würden, denn „wenn's der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut“. Die Realität sieht allerdings anders aus. Auch bei steigenden Gewinnen sind die neuen Jobs häufig prekär und die Reallöhne steigen seit Jahren nicht. Betrachten wir die verschiedenen Vorschläge im Detail und was sie für verschiedene Gruppen in der Bevölkerung bedeuten würden. Um eine Idee zu bekommen, was sie vorhaben lohnt es sich, die Partei-, Wahl und Wirtschaftsprogramme anzusehen. Auch „Mut zur Wahrheit“ vom Atterseekreis spricht Bände. Diverse Aussagen in Interviews und Presseaussendungen zeigen ebenfalls, in welche Richtung es geht. Und v.a. sprechen die Maßnahmen, die dort gesetzt werden, wo diese Parteien bereits in Regierungen sind (Bund, Oberösterreich, Burgenland, Wels etc.) eine deutliche Sprache. In Wels, wo die FPÖ seit 2015 den Bürgermeister stellt hat diese bewiesen, dass sie nicht anders, sondern nur brutaler ist. Eine teure Beratungsfirma (mal sehen, ob klar sein wird, wo ihre Leistung war) präsentierte Kürzungspläne, die FPÖ strich u.a. bereits bei Frauen, Kindergärten, Kinderschutz, Kultur, Pflege, sozial Schwachen, Jugendlichen, mobiler Altenhilfe. Es werden auch keine Lehrlinge mehr ausgebildet in Wels, dafür bewirbt die Stadt um 26.000 Euro „Sicherheitsmaßnahmen“ und in einer einzigen Ausgabe des Amtsblattes finden sich 24 Fotos vom FPÖ-Bürgermeister.
Kinder & Jugendliche: Rückwärts zur Elitebildung
In Osterreich wird Bildung stark vererbt. D.h. das Bildungslevel der Eltern ist zentral für das Bildungslevel, dass ihre Kinder bekommen werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Trennung in Haupt- bzw. Neue Mittelschule und Gymnasium. FPÖ und ÖVP wollen diese „Differenzierung“ wieder verstärken. Sie sprechen von „Wahlfreiheit“ wollen aber die Möglichkeit zu wählen beschränken. In der Praxis werden z.B. Ganztagsschulen von den Eltern gewünscht - passen aber nicht in das Familienbild von schwarz-blau und sollen daher nur in geringem Ausmaß angeboten werden. Schulgesetze brauchen in vielen Fällen ein 2/3 Mehrheit im Nationalrat. Mit Hilfe der Neos könnte es hier zu Änderungen unter dem Deckmantel der „Freiheit“ kommen. Schon jetzt bedeutet Schul- und Universitätsautonomie die Verwaltung des Mangels. Bildungseinrichtungen bekommen zu wenig Mittel und dürfen dann selbst entscheiden, wo sie streichen bzw. wo sie Geld herbekommen. Mehr „Freiheit“ kann z.b. Schul- bzw. Studiengebühren bedeuten, wie wir es aktuell bereits in Oberösterreich sehen. Oder Finanzierung durch Unternehmen die an Bedingungen geknüpft wird, die Einfluss auf die Lerninhalte nehmen wollen. Durch „flächendeckende Zugangsregelungen“ und „Studienbeiträge“ sollen die Universitäten verstärkt zur Elitebildung eingesetzt werden und v.a. Jugendliche aus ärmeren Familien wird so der Zugang zu höherer Bildung verwehrt. Die Stipendien reichen meist nicht zum Leben, es muss „nebenher“ gearbeitet werden und damit sind die vermehrten Leistungsnachweise nicht mehr leistbar. Der alte ÖVP- und Burschenschaftertraum, die Unis vom proletarischen Pöbel zu säubern, rückt in greifbare Nähe.
Weniger Gelder für die Massenbildung bedeutet auch noch weniger Unterstützung für Kinder, Deutsch zu lernen. Diese sollen daher auch – hier folgt die ÖVP der alten FPÖ-Forderung – in eigene Klassen abgeschoben werden. Ergänzt wird das mit der Forderung nach verpflichtendem Deutschunterricht am Nachmittag und in den Ferien – ohne aber zu erläutern, wer diese bezahlen soll. Schon jetzt sind keineswegs alle Deutschkurse kostenlos was für MigrantInnen, die oft wenig Geld haben, zum Teufelskreis wird. Die Spaltung der Jugendlichen in reich und arm und ganz arm wird somit institutionalisiert. Deutsch wird niemand auf diesem Weg besser lernen, aber Rassismus wird geschürt und ein Teil der Bevölkerung ausgeschlossen und ins Abseits gedrängt werden. Und nachher hetzt man dann über angebliche „Parallelgesellschaften“...
Auch der Umgang mit Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche spricht eine deutliche Sprache. Während die teure FPÖ-Stadtwache in Linz auch Jugendliche schikaniert streicht die Stadt 125.000 Euro bei Jugendzentren während gleichzeitig das Budget für Werbung und Repräsentation um 138.000 Euro erhöht wurde.
Beschäftigte der Wirtschaft noch stärker Unterordnen
ÖVP und FPÖ VertreterInnen treffen sich seit längerem gemeinsam mit jenen der Wirtschaft in diversen Vereinigungen. Ein bekannterer ist der „Atterseekreis“ dem u.a. Haimbuchner angehört, der von der FPÖ als Ministerkandidat gehandelt wird. „Urlaub statt Krankenstand“ wird hier gefordert. Hier, aber auch von der „Adler-Runde“, einem Kreis von UnternehmerInnen, von denn einige auch für den Wahlkampf von Kurz gespendet haben, wird auch der 12-Stunden Tag, die 60-Stunden Woche, die Erhöhung des Pensionsantrittsalters und diverse Steuersenkungen für Unternehmen gefordert.
Wenn sie von Flexibilisierung sprechen wollen sie die immer stärkere Unterordnung des Menschen unter die Bedürfnisse der Wirtschaft. Die Arbeitskraft soll jederzeit zur Verfügung stehen und das möglichst billig. Zuschläge für Überstunden, Nacht- oder Wochenendarbeit sind ein Kostenfaktor. Die geplanten Einschnitte im Arbeitsrecht bedeuten also in der Praxis Lohnkürzungen.
Kein Zufall angesichts all dieser geplanten Angriff auf Beschäftigte, dass jene Organisationen, die deren Rechte vereidigen, geschwächt werden sollen. Es sei hier klar gestellt, dass ÖGB und AK viele Schwächen haben, oft undemokratisch agieren und an ihren Spitzen Privilegienritter sitzen, die Widerstand oft bremsen anstatt ihn zu organisieren. Doch schwarz und blau haben nicht die Absicht, daran irgendetwas zu verbessern. Ihnen geht es ausschließlich um die Schwächung der ArbeiterInnenklasse und die Vereinzelung der Beschäftigten. Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender RFW fordert schon 2009 dass die GPA-djp „aus dem täglichen Wirtschaftsleben endlich verschwinden (soll)“. FPÖ und ÖVP werden ÖGB und AK nicht verbieten, aber sie wollen beide schwächen. Sie wettern gegen die „Zwangsmitgliedschaft“ bei der AK. Mit Zwängen haben sie sonst nicht so viele Probleme: z.B. bei Überwachungsmaßnahmen, Arbeitszwang, Assimilierungszwang etc. Es geht also nicht um „Freiheit“ - oder doch, aber nicht um jene der Beschäftigten, sondern jene der Unternehmen, das Gesetz zu brechen bzw. die Beschäftigten besser ausbeuten zu können. Wenn die AK-Beiträge gesenkt werden, bedeutet das weniger Geld für die Beratung der Mitglieder z.B. in Mietrechtsfragen oder beim Konsumentenschutz. Vor allem aber bedeutet es weniger Prozesse gegen Chefs, die sich nicht an Arbeitszeit oder Schutzbestimmungen halten oder einfach zu wenig bezahlen. Jedes Jahr erstreitet die AK hundert und mehr Millionen für ihr Mitglieder. Lästig für die Wirtschaft! 2009 forderte der RFW schon mal „Notgesetze“ um gesetzlichen und kollektivvertraglichen Schutz der Beschäftigten aushebeln zu können. „Sozialisten und Gewerkschaft (müssten) zum Teufel gejagt werden“ meint etwa ein FPÖ-Vertreter.
Auch Kollektivverträge sind den Unternehmen - die ja zu den finanzkräftigen Großspendern v.a. der ÖVP im Wahlkampf gehörten, ein Dorn im Auge. Die FPÖ fordert z.B. in ihrem „Impulsprogramm Wirtschaft“ die Verringerung von „zentralen Kollektivverträgen“. Sie schützen die Beschäftigten zumindest teilweise vor der Willkür der Unternehmen. Stehen Belegschaften aber in jedem Betrieb einzeln oder sogar einzelne Beschäftigte den KapitalistInnen allein gegenüber, sind sie schwächer und v.a. erpressbarer. Die Verträge werden dann ganz „freiwillig“ schlechter. Einzelverhandlungen oder auch Betriebsvereinbarungen statt Kollektivverträgen führen zu sinkenden Löhnen. Da wundert es dann auch nicht, wenn der Tiroler Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes Hörl vor kurzem den Stopp aller KV-Verhandlungen forderte. Menschliche Bedürfnisse werden Profiten untergeordnet, die Tatsache, dass schon jetzt immer mehr Beschäftigte unter dem steigenden Arbeitsdruck leiden und dass Überarbeitung absurderweise neben Erwerbsarbeitslosigkeit existiert wird weiter verschärft. Geht's der Wirtschaft gut, geht’s den Profiten gut.
PensionistInnen, Arbeitslose, Arme: Raubritter gehen gegen die Schwächsten vor
Wenn sich FPÖ und ÖVP als Verteidiger der Schwachen darstellen, dann ist das fern jeder Realität. Sie lehnen alle Formen von Gewinn- und Reichtumsbesteuerung ab. Nur damit hier Klarheit besteht: eine sehr moderate Erbschaftssteuer, die erst ab einer Erbschaft von einer Million schlagend wird, würde gerade einmal 5% der Haushalt treffen. Die reichsten 5% besitzen hierzulande rund 56% des Vermögens!
Schon jetzt sind rund 1,5 Millionen Menschen in Österreich von Armut betroffen bzw. bedroht, dass sind 18% der Bevölkerung. Schwarz-Blau wird für diese Menschen weitere Verschlechterungen bedeuten, und zwar unabhängig davon, ob sie In- oder AusländerInnen sind. Die Kürzung der Wohnbeihilfe um bis zu 100.-/Monat in Oberösterreich und die Deckelung der Mindestsicherung in Ober- und Niederösterreich trifft unabhängig von der Staatsbürgerschaft, und zwar v.a. Frauen und viele Kinder. Und Kurz&Co wollen eine österreichweite Anpassung der Mindestsicherung nach unten, verbunden mit Arbeitszwang. Dieser Arbeitszwang wird benützt werden, um Menschen den Bezug zu streichen (z.B. Frauen, die keine Kinderbetreuung finden, oder psychisch Kranken, die es einfach nicht schaffen) und wird auf bisher existierende, bezahlte Jobs massiven Druck ausüben. Gemeinden brauchen dann keine kollektivvertraglich bezahlte Straßenreinigung mehr, wenn dass MindestsicherungsbezieherInnen kostenlos machen müssen. Ob Menschen für diese Jobs (angedacht wird hier immer wieder auch Kinderbetreuung und Krankenpflege) überhaupt geeignet sind interessiert die PolitikerInnen nicht. Ihnen geht es um Ausgabensenkung und ihre Kinder sind ohnehin in teuren Privatkindergärten und ihre Kranken haben eine Zusatzversicherung und liegen auf „Klasse“.
Beide Parteien sprechen immer wieder von einer angeblichen „sozialen Hängematte“ und behaupten, dass menschenwürdige Sozialleistungen Menschen vom Arbeiten abhalten würden. Tatsächlich gibt es weit weniger Jobs als Arbeitslose, wenn also Mindestsicherung bzw. Arbeitslosengeld gekürzt werden, dann schafft das zwar keine Jobs, führt aber zu Lohndumping. Menschen sind gezwungen immer mieser bezahlte Jobs anzunehmen, es kommt zu einem „Race to the bottom“ also einer Lohnspirale nach unten. Wenn sie von Qualifizierungsmaßnahmen oder lebenslangem Lernen reden ist das nur Propaganda: schon 2016 haben ÖVP und FPÖ in Oberösterreich Gelder gekürzt, die Arbeitslosen helfen sollten, sich zu qualifizieren. Sie hatten es dabei so eilig, dass dabei sogar in bestehende Kurse eingegriffen wurden und die lernwilligen Arbeitslosen auf den Kurskosten sitzen blieben.
Doch nicht nur Menschen, auch die Natur sind Opfer einer solchen Politik. Mit dem Schutz der „Heimat“ ist also in der Praxis nicht weit her. FPÖ-Haimbuchner wandelt auf Trumps Spuren (und ist damit nicht alleine in der FPÖ) und zweifelt überhaupt an, dass der Mensch irgendeine Verantwortung für den Klimawandel hat. Der Industrie lästige Umweltauflagen und Kontrollen sollen daher auch abgebaut werden, wie es auch im Regierungsübereinkommen in Oberösterreich steht.
Schlanker Staat = Sozialabbau
Die Forderungen nach „Senkung der Abgabenquote“ oder „Keine neuen Belastungen“ klingen gut. Doch bei näherer Betrachtung ist damit eine weitere Umverteilung von unten nach oben gemeint. Denn es geht hier um Steuersenkungen für Unternehmen. Doch das bedeutet weniger Einnahmen für den Staat und damit auch weniger Geld für Ausgaben. Die ÖVP will eine Senkung der Lohnnebenkosten um drei Milliarden Euro. Lohnnebenkosten sind Werte, die die Beschäftigten erarbeitet haben, also ein Teil des Lohnes. Wenn Kurz plant, Steuern und Abgaben um insgesamt 14 Milliarden zu senken, dann entspricht das fast den Ausgaben für alle Krankenhäuser – und bei diesen wird wohl auch massiv der Rotstift angesetzt werden. Werden Lohnnebenkosten gesenkt, bedeutet das eine Lohnkürzung. Und das bedeutet weniger Geld für Pensionen, Gesundheit, Bildung und Soziales. Rund vier Milliarden Euro würde der Kurz-Plan kosten, wenn AGs und GmbHs für nicht entnommene Gewinne die Gewinnsteuer erlassen wird – damit könnte man übrigens ca. 4x die jetzige Mindestsicherung bezahlen. Bei der FPÖ gibt es auch die Idee von Steuerautonomie der Bundesländer, was einen Steuerwettbewerb zur Folge hätte: die Bundesländer würden die Unternehmenssteuern nach der Reihe senken und senken um Unternehmen zu halten bzw. anzulocken. Das hätte massive Einnahmenausfälle zur Folge die durch höhere Steuern für z.B. Konsum und Wohnen (Barbara Kappel von der FPÖ hat schon mal die Erhöhung der Mehrwertssteuer um 2% angedacht), höhere Abgaben und v.a. massive Leistungskürzungen im Sozialbereich kompensiert werden müsste. Welche Spirale nach unten ein solcher Steuerwettbewerb auslöst sehen wir auf europäischer Ebene, die Leidtragenden sind alle, die auf ein öffentliches Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen angewiesen sind.
Geplant sind auch der Abbau diverser Regelungen die die Aufgabe haben, Schwächere zu Schützen. Ganz oben auf der Wunschliste der ÖVP-Spender steht hier das Mietrecht, das weiter ausgehöhlt werden soll. Die ÖVP fordert u.a. eine „Miezinsanpassung im Gemeindebau“ - also eine Erhöhung von noch niedrigeren Mieten an den „Marktpreis“. Überhaupt ist öffentlicher Wohnbau der ÖVP schon lange ein Dorn im Auge und soll hier Wohnraum verkauft werden – vordergründig an die MieterInnen, in der Praxis werden hier SpekulantInnen zuschlagen. Der Kurzsche Wohntraum vom Eigenheim für JedeN geht an der Lebensrealität von steigenden Immobilienpreisen gänzlich vorbei. Die Mieten sind in den letzten fünf Jahren um 17 % gestiegen (was schon weit, weit über den Reallohnerhöhungen liegt), die Preise für den Kauf von Wohnungen in den letzten sieben Jahren sogar um 41%. Laschere Gesetze werden die Preise für beides noch nach oben treiben und das nötige „Kleingeld“ für den Erwerb von Wohnraum fehlt ohnehin den Meisten, insbesondere Jungen. Allerdings macht ein hoher Kredit Beschäftigte auch leichter erpressbar – aber ein derartig fieser Plan ist doch vom lieben Sebastian und seiner Gang nicht zu erwarten...
Die Modelle von Kurz sind eine Bedrohung: Praxistest
Sehen wir uns an, was die von Kurz als Vorbild betrachteten Modelle konkret bedeuten. Zu den interessanten Modellen führt die „Wunsch dir was“ Facebook Seite des Außenministeriums „Welt.Wirtschaft.Österreich“ u.a. die „Reform des deutschen Arbeitsmarktes“, das irische Steuersystem und die schwedische Pensionsautomatik an.
Die Reform des deutschen Arbeitsmarktes, besser bekannt als Hartz 4, hat dazu geführt, dass inzwischen 30% aller Beschäftigten in Deutschland atypisch beschäftigt sind. Aufgrund der niedrigen Löhne haben 2,5 Millionen Menschen einen zweiten, sogenannten Minijob. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit liegt in großen Teilen bei der Zunahme von prekären Beschäftigungen. Die Verlängerungen bei der Arbeitszeit dienen v.a. dazu, die Leute mit Abschlägen, also niedrigeren Pensionen, in einen finanziell ausgedünnten Ruhestand zu schicken – FPÖ-Wirtschaftssprecher Kassegger tritt z.B. für die Erhöhung des Pensionsantrittsalters ein. Eine Million PensionistInnen in Deutschland müssen Geld dazu verdienen, um über die Runden zu kommen. Armut, gerade unter Kindern und Jugendlichen wächst. Ein Vorbild?
Das irische Steuersystem befreit große multinationale Konzerne von Steuern – sogar der EU sind die Steuerprivilegien schon zu weit gegangen, und das will was heißen! Starbucks z.B. hat 2015 ganze 45 Euro an Steuer bezahlt. Theoretisch liegt der Steuersatz zwar bei 12,5% praktisch allerdings eher bei 3 bis 5%. Die Umsatzsteuer, die jedeR zahlen muss der/die z.B. einen Liter Milch kauft, ist höher! Die Steuereinnahmen fehlen und in Folge fehlt das Geld im Sozialsystem. 687.000 stehen auf den Wartelisten für Behandlungen in den öffentlichen Spitälern, für einen Kindergartenplatz müssen Eltern 1.200 (in Worten tausendzweihundert) Euro pro Monat zahlen. Dass die Steuerpolitik Arbeitsplätze schaffen würde ist ein Mythos. Von den rund zwei Millionen Beschäftigten in Irland arbeiten nur 187.000 für Multis, das sind gerade mal 9%. Das irische Modell, multinationalen Konzernen den roten Teppich auszurollen, existiert seit den 1950er Jahren. Es hat aber seither weder Krisen, noch Arbeitslosigkeit verhindert. Ein Vorbild?
Das schwedische Pensionssystem führt dazu, dass ein heute 35jahriger Krankenpfleger mit 65 eine Pension bekommen wird, die maximal ein Drittel seines Gehalts sein wird. Seit der Reform sind die Pensionskassen eng mit den Börsen verbunden, was zu einer Reihe von Skandalen geführt hat, weil private Firmen zwar hohe Profite erzielt haben, aber die Pensionen gesunken sind. Bei der Umstellung des Pensionssystems 2006 lagen die Pensionen bei 65% der Nettolöhne, 2012 waren es nur mehr 52% und sollen bis auf 40% sinken. Die Altersarmut hat sich in Folge in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Bei den über 75jährigen sind 25% von Armut bedroht. Ein Vorbild?
Die FPÖ übrigens will das die Finanzmärkte verstärkt mit unserem Geld spekulieren können. Das zeigt sich u.a. in ihrer Ablehnung von „Basel 3“. Dabei handelt es sich um ein Abkommen das Banken zwingt, einen etwas höheren Anteil an Eigenkapital zu halten, um im Krisenfall die SparerInnen besser selbst auszahlen zu können (um z.B. nicht oder weniger auf Staatsrettung angewiesen zu sein). Basel 3 rettet nicht vor dem nächsten Finanzcrash, aber es erhöht die Stabilität von Banken ein bisschen – zu viel, wenn es nach der FPÖ geht. 2014 stimmte die FPÖ übrigens gegen die Bankenabgabe, jene Abgabe, mit denen die Banken einen Minianteil zu den Kosten der Krise beitragen sollten.
Frauen & LGBTQ+: Zurück in Mittelalter
FPÖ und ÖVP verbindet ein konservatives Familien- und Frauenbild. Gestützt auf reaktionäre christliche Vorstellungen wollen sie allen ihre begrenzten Vorstellungen aufzwingen. Die Idealfamilie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. Andere Partnerschaften werden geduldet aber diskriminiert. Verbale Übergriffe von ÖVP und v.a. FPÖ VertreterInnen gegenüber LGBTQ+ Personen liefern den Nährboden, auf dem körperliche Attacken oder Diskriminierung z.B. im Betrieb stattfinde. Schutz ist von einer Polizei, die schon jetzt von blauen durchsetzt ist wenig zu erwarten. Entgegen aller schönen Worte von „freien Frauen“ und „Gleichberechtigung“ gilt: Frauen sollen v.a. Mutter sein und viele weiße, christliche Kinder bekommen, Berufstätigkeit wird bestenfalls nebenbei akzeptiert. Alles was abseits dieses Werterahmens ist, wird benachteiligt. Und zwar durch Schlechterstellungen. In Oberösterreich, wo die zwei Parteien gemeinsam regieren, soll der Kindergarten nachmittags kostenpflichtig werden, auch das gratis Kindergartenjahr ist in Gefahr. Schon jetzt ist Oberösterreich Schlusslicht bei den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, im schwarzen Tirol ist Ganztagsbetreuung Mangelware. Verdienen Frauen weniger, was nach FPÖ zulässig ist wenn es „messbare Unterschiede gibt“ rentiert sich das Arbeiten so bald nicht mehr, und Frau bleibt halt notgedrungen zuhause, ganz „freiwillig“. Und leistet dann ganz unbezahlt die zusätzliche Arbeit, die durch die Kürzungen z.B. im öffentlichen Pflege- und Bildungswesen verstärkt von Angehörigen geleistet werden muss.
Die Steuerpläne der beiden Parteien bevorzugen Besserverdienende, und dazu gehören Frauen oft nicht. Z.B. Wenn Steuerabsetzbeträge als Zuckerl versprochen werden. Da muss man nämlich erstmals soviel verdienen, dass man überhaupt Lohnsteuerpflichtig ist. Fast 14% aller Berufstätigen verdienen weniger als 1.000 pro Monat, ein großer Teil davon Frauen. In diesen Bereich fällt auch die propagierte Abschaffung der „kalten Progression“. Die automatische mit der Inflation steigenden Steuerstufen nutzen ebenfalls v.a. Besserverdienenden, wer wegen zu geringem Einkommen keine Lohnsteuer zahlt, bekommt nichts. Wer eine echte Verbesserung für untere Einkommen will, sollte mit folgenden zwei Maßnahmen beginnen: 1) Die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation, d.h. es gibt keine Reallohnverluste mehr und die Gewerkschaft verhandelt und erkämpft nur mehr echte Reallohnerhöhungen. Und 2) die Abschaffung von Konsumsteuern, konkret der Mehrwertssteuer. Diese fällt bei Lebensnotwendigem wie Wohnen und Grundnahrungsmittel an und trifft Menschen mit niedrigem Einkommen weit härter, als jene mit hohem Einkommen. Würde die Mehrwertssteuer abgeschafft und durch eine Vermögenssteuer ersetzt, so würde auf einen Schlag eine echte spürbare Umverteilung von oben nach unten stattfinden.
Kurz & Strache teilen die Werte der religiösen Fundamentalisten
Besonders absurd ist das Frauenbild vor dem Hintergrund der „Wertedebatte“ wo sich die beiden Parteien als Verfechterinnen „unserer“ Werte gegen den Islam präsentieren. Denn ihr Versuch, Frauen zu bevormunden sticht ins Auge. Sie wollen uns vorschreiben was, oder was nicht, wir anzuziehen haben. Das Burkaverbot wird aber keine einzige Frau aus der Burka befreien, sondern sie nur im Haus einsperren.
Bedrohlich auch die Bevormundungsbestrebungen von schwarz-blau bezüglich weiblicher Sexualität. Beide haben Probleme mit Aufklärungsunterricht: dieser könnte also künftig von religiösen FundamentalistInnen durchgeführt werden. Manche Biologie- oder EthiklehrerInnen (die meisten sind sowieso katholische ReligionslehrerInnen) werden sich gerne VertreterInnen von Jugend für das Leben einladen, einer christlich-fundamentalistischen Organisation, deren ehemalige Vorsitzende Gertrud Kugler für die ÖVP in den Nationalrat einzieht. Unterrichtsmaterial kann geändert werden, gleichgeschlechtliche Beziehungen in diesem z.B. als nicht gleichberechtigt, oder sogar unnatürlich präsentiert werden. Verhütung wird nicht verboten werden, aber der Zugang kann erschwert werden. FPÖ-Mandatar Johann Gudenus hat schon mal über die Erhöhung der Mehrwertssteuer für Verhütungsmittel nachgedacht, was einer Verteuerung gleichkommt. Schelling hat eine ähnliche Maßnahme schon durchgeführt. Beide Parteien sind sowieso gegen eine Kostenübernahme für Verhütungsmittel wie sie in der Mehrheit der europäischen Staaten zumindest teilweise üblich ist. Sie sind damit verantwortlich für die hohe Rate an ungewollten Schwangerschaften hierzulande, besonders unter Jugendlichen. Abtreibung ist beiden Parteien ein Dorn im Auge, am liebsten würden sie sie verbieten. Da ihnen bewusst ist, dass das nicht mehrheitsfähig ist, werden sie es scheibchenweise versuchen. Als ob Frauen nicht zurechnungsfähig wären, kann eine verpflichtende „Bedenkzeit“ eingeführt werden. Dann eine Trennung von beratendem und durchführendem Arzt. Da es in ganz Österreich nur 17 Stellen gibt, wo Abbrüche durchgeführt werden, wäre das ein massiver Mehraufwand v.a. für alle Nicht-WienerInnen, die schon jetzt weit fahren müssen. Wenn die beiden Parteien die oft von AbtreibungsgegnerInnen geforderte „Statistik“ einführen wird diese zwei Dinge zur Folge haben. 1) Die betroffenen Frauen, die eine solche Befragung über sich ergehen lassen müssen könnten massiv unter Druck gesetzt werden, keinen Abbruch durch zu führen. Und 2) wird die Liste der ÄrztInnen, die Abbrüche durchführen den AbtreibungsgegnerInnen für ihre Einschüchterungsaktionen frei Haus geliefert. Und wo sollen Abbrüche dann stattfinden? Wenn es nach der FPÖ geht dann nicht in privaten Kliniken und Praxen. Und in öffentlichen Spitälern auch nicht. Also nirgends. Wenn solche Beschränkungen durchgeführt werden ist ein formales Verbot gar nicht mehr nötig...
Am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen im November werden sich die Parteienvertreter in Krokodilstränen ergehen - und dann den Rotstift bei Frauenhäusern und Frauenberatungseinrichtungen ansetzen. Wenn schwarz-blau in Oberösterreich 10% bei den Ausgaben kürzen wollen, dann ist davon auszugehen, dass Fraueneinrichtungen davon besonders betroffen sein werden. Die FPÖ fordert gar den „zeitlichen Rückbau des missbrauchsanfälligen Wegweiserechtes“. Bei der gesamten Debatte wird ignoriert, dass ein Großteil der (sexuellen) Übergriffe gegen Frauen und Kinder nicht durch Unbekannte erfolgt, sondern in den vermeindlich sicheren eigenen vier Wänden, und die Täter Bekannte bzw. Verwandte sind (ca. 90%) - und Österreicher.
Erst nehmen sie es den MigrantInnen, dann dem Rest
Beide Parteien tun so, als ob sie sich für „die ÖsterreicherInnen“ einsetzen würden und nur bei „den AusländerInnen“ streichen wollen. Abgesehen davon, dass viele dieser MigrantInnen seit vielen Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen zeigt die Praxis, dass es um etwas anderes geht: man greift zuerst die Schwächsten an, dann folgt der Rest. Wenn die FPÖ z.B. eine eigene Sozialversicherung für MigrantInnen fordert, dann geht es ihr um ein ein 3-Klassen-System: eine gute Krankenversicherung für Wohlhabende, und zwei schlechtere für InländerInnen und MigrantInnen. Kürzungspotential sehen beide Parteien z.B. im Spitalswesen (die FPÖ will konkret 4,7 Milliarden „umschichten“ durch weniger stationäre Behandlungen und weniger Akutbetten in den Spitälern). Schon jetzt muss ¼ aller Gesundheitsausgaben privat bezahlt werden – das wird zunehmen und damit die gesundheitliche Versorgung von Ärmeren sich weiter verschlechtern.
Beide wollen den Bezug von Sozialleistungen von der Dauer der Anwesenheit im Land abhängig machen. D.h. das Menschen in die Armut getrieben werden. Viele dürfen in Österreich gar nicht arbeiten, Sozialleistungen sollen ihnen auch verwehrt bzw. gekürzt werden. D.h. sie werden kein Geld zum Leben haben. Viele haben gar nicht die Möglichkeit, in ihre Heimat zurück zu kehren, weil dort Krieg herrscht, Dürre oder die Umwelt (u.a. von westlichen Firmen) zerstört ist. Und weil die Situation dort noch schlimmer ist, als hier. Sie werden also bleiben, aber ohne Geld. Das zwingt sie dazu, illegal Jobs anzunehmen, und so als Lohndrücker missbraucht zu werden. Das wird dazu führen, dass auch Kleinkriminalität zunimmt. Das „gesparte“ Geld wird dann in Gefängnisse und Polizei gesteckt – die ÖsterreicherInnen werden nichts davon haben – außer mehr Überwachung und ein insgesamt abgesenktes Lohnniveau. Und einen gestärkten Repressionsapparat der dann zur Bekämpfung von Protesten gegen die brutale Kürzungspolitik eingesetzt werden kann. Fakt ist: wer Menschen nicht legal arbeiten lässt, ist verantwortlich für Schwarzarbeit und Lohndumping. Aber davon profitieren die FreundInnen von ÖVP und FPÖ in der Wirtschaft ja.
Die Teile-und-Herrsche-Politik mit unterschiedlichen Leistungen für Menschen mit unterschiedlichem Pass aber gleichen Bedürfnissen erleichtert es den Herrschenden, ihre Maßnahmen durch zu setzen. Die Kürzung der Mindestsicherung in Nieder- und Oberösterreich wurde ursprünglich „nur“ für MigrantInnen diskutiert – dann aber für alle eingeführt. Widerstand wurde so im Vorfeld ausgebremst.
Die Hetze und die Maßnahmen von schwarz-blau sollen die Stimmung gegen MigrantInnen anheizen und wird auch zu einer Zunahme von rechter Gewalt führen. Bei einer ÖVP, die in autoritärem Stil an den Ständestaat erinnert und einer FPÖ, in der der ultrarechte Burschenschafterflügel sein völkisches Gedankengut in Gesetze gießen will, fühlen sich Rechtsextreme, Faschisten und Nazis aller Varianten gestärkt.
Wehren wir uns gegen die Angriffe auf unsere Zukunft!
Die Bedrohung durch die kommende Regierung findet also auf mehreren Ebenen statt. SPÖ und Grüne sind kein Bollwerk gegen diese Politik, da auch sie ihre Aufgabe darin sehen, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken und sich zu 100% auf dem Boden der kapitalistischen Logik befinden, die Profite über menschliche Bedürfnisse stellt. Sie würden keine identische Politik betreiben, aber die Richtung wäre eine ähnliche. Um diese Angriffe abzuwehren müssen wir uns schon selbst organisieren und wehren.
Die Regierung wirkt bedrohlich, aber sie wird keine stabile sein. Der aktuelle Aufschwung ist zu schwach, um umfassende „Zuckerln“ an die ArbeiterInnenklasse zu geben, um diese dauerhaft ruhig zu stellen. Die Angriffe werden, vielleicht nach einer anfänglichen Schockstarre, vielleicht nicht gleich umfassend, zu Widerstand führen. Wir brauchen nicht zu warten was kommen wird, wie es aus ÖGB-Kreisen erklärt wird, sondern wissen genau, wer im Visier der schwarz-blauen Regierung steht. Lernen wir aus den Schwächen und Fehlern der Widerstandsbewegung von 2000 https://www.slp.at/artikel/schwarz-blau-droht-%E2%80%93-was-k%C3%B6nnen-wir-aus-der-widerstandsbewegung-von-2000-lernen-8542
Leisten wir gemeinsam Widerstand, anstatt uns alleine zu fürchten oder zu ärgern. Werde Teil des Widerstandes, werde Teil der SLP.
Danke an alle, die bei der Recherche geholfen haben.