Die ausgerufenen Neuwahlen und die aktuelle innenpolitische Debatte zeigen, wie tief die Krise des österreichischen politischen Systems ist. Ein Kampf zwischen Strahlemann Bundeskanzler Kern, dem neuen bürgerlichen Messias Kurz und dem altgedienten Rechtsextremen Strache wird ausgerufen werden. Sowohl Kern als auch Kurz haben ihre Parteien zu reinen Jubelvereinen für ihre Personen degradiert – ein Zeichen dafür, wie sehr die traditionellen Parteien in der Krise sind. Sie können die strukturelle wirtschaftliche Krise nicht mehr mit ihren traditionellen Mitteln bearbeiten. Ihre als „Reformen“ getarnten Kürzungspakete machen sie bei WählerInnen unbeliebt, gleichzeitig drängen die Unternehmen auf immer offensivere Konfrontation, um ihre Krise auf den Rücken der Beschäftigten und Arbeitslosen abzuwälzen. Millionen-Unternehmer und Finanzminister Schelling sprach es aus: „Die Sozialpartnerschaft ist tot.“
Wirtschaftsverbände sehen in Kurz‘ autoritärem Projekt eine Chance, Angriffe gegen soziale Standards und demokratische Rechte durchzuboxen. Sie haben genug von „Stillstand“ und wollen einen „Macher“, der endlich mit lästigen ArbeitnehmerInnenrechten aufräumt. Sowohl die „Adlerrunde“, ein Verband von 42 Tiroler Großunternehmen, als auch die Wirtschaftskammer Wien und die Industriellenvereinigung stellen sich hinter Kurz. Beim Sommerfest der Industriellenvereinigung wird Kurz eine Rede halten.
Das Kapital ruft nach einem „Macher“ - und Kern, Kurz und Strache werden darum buhlen, wer diesen am glaubwürdigsten verkörpert. Sie werden die Einigkeit Österreichs beschwören und geloben, „für Österreich“ zu arbeiten, so wie es jetzt bereits bei den Parlamentsdebatten während des Auflösungsprozesses der Regierung der Fall ist. Doch es gibt kein gemeinsames „österreichisches“ Interesse. Hinter diesen Phrasen verbirgt sich die Agenda der Superreichen. Sie wollen durch massive Verschlechterungen, etwa bei Arbeitszeiten und Löhnen, aber auch Sozialleistungen, Österreich „wettbewerbsfähiger“ für ihre gnadenlose Jagd nach Profiten in der sich verschärfenden internationalen Konkurrenz machen.
Diese Interessen haben mit denen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung jedoch nicht das Geringste gemeinsam. Unsere Probleme sind:
-Die Angst vorm Jobverlust oder die tatsächliche Arbeitslosigkeit,
-Die Mehrfachbelastung von Frauen mit (oft miesem) Job, Kindererziehung und Ausbildung,
-Sozialabbau und Zukunftsangst
-Umweltzerstörung durch Profitwirtschaft
-Bildungsabbau und Elitenbildung
-Steigender Rassismus und der Alptraum der Abschiebungspolitik
Eine linke Kandidatur? Warum? Wer? Wie?
All diese Themen werden jedoch im Wahlkampf von autoritärer Inszenierung und patriotischen Phrasen übertönt werden. Für Linke stellt sich nun die Frage: Wie kann der Wahlkampf und die Nationalratswahlen für die Auseinandersetzung gegen Sozialabbau, Frauenunterdrückung, Rassismus und Umweltzerstörung usw. genutzt werden?
Es gibt einige Initiativen, die in den letzten ein Jahren versucht haben, den Widerstand "von Unten" zu organisieren. Sei es in verschiedenen sozialen und politischen Bewegungen, etwa im Sozial-und Pflegebereich mit Care Revolution, gegen das Murkraftwerk, im Kampf für Flüchtlingsrechte, oder in neuen politischen Bewegungen wie dem Aufbruch, den Jungen Grünen, oder System Change not Climate Change. Die KPÖ Steiermark hat gezeigt, dass konsequente linke Politik auch auf Wahlebene erfolgreich sein kann.
Die kommenden Wahlen und der Wahlkampf werden das dominierende Thema der innenpolitischen Debatte. Keine Initiative, keine soziale Bewegung kommt darum, Stellung zu beziehen. „Was macht ihr bei den Wahlen?“ wird ab jetzt die erste Frage sein, mit der Linke konfrontiert sein werden, wenn sie Kampagnen auf der Straße, in Betrieben oder Bildungseinrichtungen organisieren.
Wir wissen, dass die Ausgangsbedingungen für eine linke Kandidatur nicht einfach sind. Es ist wenig Zeit, um eine Plattform zu bilden. Es fehlt an Ressourcen und schlagkräftiger Organisation. Das alles sind Faktoren, die man berücksichtigen muss und die Menschen zweifeln lassen. Wir müssen uns aber fragen: was können wir durch einen Antritt verlieren? Wenn es keine sichtbare, kämpferische linke Kandidatur gibt, drohen linke Themen und soziale Kämpfe völlig im Wahlkampf unterzugehen. Das würde auch eine denkbar schlechte Voraussetzung für den Widerstand gegen die kommende Regierung bedeuten – in der höchstwahrscheinlich die FPÖ sitzen wird. Wir glauben, dass das riskanter ist als der Versuch, eine linke Wahlplattform aufzustellen.
Ansätze für einen kämpferischen linken Wahlkampf gibt es: Von der Wut der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich, die sich in den Protesten von Care Revolution und letzte Woche in der großen Pflege-Demo geäußert hat, über eine neue Welle an Frauenkämpfen, deren erster Ausdruck das Frauenvolksbegehren ist, all jene, die im Rahmen der Flüchtlingsbewegung aktiv geworden sind, bis zu den Initiativen, die erst diese Woche die Proteste gegen die Kürzung der Mindestsicherung in Innsbruck organisiert haben. Die Linke muss die Frage beantworten: Welche Möglichkeiten haben diese Menschen, die in den letzten Monaten aktiv geworden sind, im Wahlkampf für ihre Interessen zu kämpfen?
Ein linker Wahlkampf kann gerade durch den Bruch mit der inhaltsleeren Show-Inszenierung der etablierten Politik erfolgreich sein. Wir können konkrete Solidarität mit Flüchtlingen organisieren. Wir können die mediale Selbstinszenierung von Kern, Kurz und Strache durch Aktionen stören und aufzeigen, wofür sie wirklich stehen: Politik von oben für die Reichen. Wir können Demonstrationen für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und für einen Mindestlohn organisieren – das sind Forderungen der Gewerkschaften, die so dazu bewegt werden können, selbst einzugreifen. Es gibt eine gigantische Wut über die etablierte Politik und die Macht der Banken und Konzerne. Mehr denn je braucht es in diesem Wahlkampf eine linke Alternative, die die Ursachen der Krise von Politik und Wirtschaft aufzeigt: das kapitalistische System, das uns immer tiefer in einen Strudel aus Armut, Ausbeutung und Entdemokratisierung reißt.
Deswegen tritt die SLP für ein linkes Bündnis ein, das an sozialen Bewegungen ansetzt und im Wahlkampf eine Alternative zum neoliberalen und rassistischen Einheitsbrei darstellt. Wir denken, dass Aufbruch eine wichtige Rolle spielen kann, so eine Kandidatur zustande zu bringen. Nach wie vor gibt es zahlreiche Menschen, die Aufbruch beobachten und sich Impulse von Aufbruch für eine neue linke Formation wünschen. Wir appellieren auch an die KPÖ und die KPÖ Steiermark, die im Statement ihres Bundesvorstandes erwähnte „Offenheit für Wahlallianzen“ ernst zu nehmen und Schritte in diese Richtung zu unterstützen.
Wir denken, dass es eine gemeinsame Konferenz von allen politischen Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen braucht, die bei dieser Wahl Widerstand von unten auf den Stimmzettel bringen wollen – und zwar noch vor dem Sommer. Sollte es nicht gelingen, ein echtes linkes Bündnis für die Wahlen aufzustellen, diskutieren wir auch eine eigene Kandidatur, um im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Plattform für soziale Kämpfe und Widerstand gegen dieses krisengeschüttelte und immer autoritärere System anzubieten.
Die Kugel rollt. Die Linke kann nicht an der Seitenlinie stehen. Der Erfolg einer linken Kandidatur wird nicht einfach in der Zahl der Stimmen, die sie erhält, liegen – sondern im Aufbau und der Organisation des Widerstands während des Wahlkampfes und durch den Wahlkampf, gegen die nächste Regierung der Reichen.